Hagenkord: Medienbild zu kirchlichen Reformdebatten oft verzerrt

"Einfache Labels führen nur in die Irre"

Der Jesuit Bernd Hagenkord wünscht sich mehr Differenzierung in Medienberichten über kirchliche Reformdebatten. Es gebe zu starke Schwarz-Weiß-Muster. 

Synodalkerze und Kreuz / © Julia Steinbrecht (KNA)
Synodalkerze und Kreuz / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Insbesondere das gern genutzte Gegensatzpaar "konservativ" und "liberal" führe mitunter dazu, "schnurstracks Vorurteile anzusteuern", schreibt der geistliche Begleiter des Reformprozesses Synodaler Weg in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung "Christ in der Gegenwart" (Erscheinungstag: Sonntag).

Das beliebte Begriffspaar "ermöglicht die scheinbar schnelle Einordnung von Äußerungen, und man muss nicht besonders viel darüber nachdenken", so der frühere Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan. "Konservativ soll angeblich bedeuten, dass jemand oder etwas nicht mehr zeitgemäß sei, während liberal oder gerne auch progressiv sofort positiv bewertet ist", so Hagenkord.

Doch spätestens bei einer solchen "begründungslosen moralischen Bewertung" solle man sich fragen, "welche Aussagekraft über die billige Auseinandersetzung hinaus diese Etikettierung hat", mahnt der Journalist. "Es ist eine Bewertung, die nicht verstehen, sondern nur Schwarz-Weiß will."

Konservativ stehe für viele Dinge

Dabei meine etwa das Label konservativ in der kirchlichen Debatte viele sehr unterschiedliche Dinge, schreibt Hagenkord. "So segeln die Piusbrüder zwar unter der Flagge des Bewahrens, dabei wollen sie eine Kirche, die so nie existiert hat." Andere Gruppen würden eher von Nostalgie bewegt; Fragen von heute wollten sie mit Maßnahmen im Gewand des Bewahrens beantworten. "So könnte und sollte man alle Bewegungen innerhalb der Kirche anschauen; nur so versteht man wirklich, was Motivation und Aktualität ist und wie sich Gruppen voneinander unterscheiden", appelliert der Medienexperte. "So viel Genauigkeit muss sein, gerade in Zeiten wachsender innerkirchlicher Pluralität. Einfache Labels führen nur in die Irre."

Zudem stamme das Begriffspaar aus der politischen Debatte des 19. Jahrhunderts. "Danach haben sich diese Pole als Perspektive auf politische Strömungen durchgesetzt. Erst in jüngerer Zeit lösen sie sich wieder auf." Dieses Instrument gehöre "auf den Prüfstand", so der Jesuit.

Geisteshaltungen berücksichtigen

Ebenso habe sich zuletzt rund um das als "konservativ" bezeichnete Feld eine Zunahme autoritärer Strömungen breitgemacht. "In der Kirche begegnen sie uns an verschiedener Stelle, vor allem in den Kommentarspalten von Blogs oder auf einschlägigen, vor allem US-amerikanischen Webseiten", schreibt der Jesuit. "Komplexität und Pluralität werden nicht ausgehalten; eine vermeintlich starke Figur soll dafür sorgen, dass diese verschwinden", so Hagenkord. Aber: "Autoritär ist nicht gleich rechts; es geht hier um Geisteshaltungen, nicht um Inhalte und Überzeugungen."

Statt des Begriffspaars konservativ vs. liberal schlägt Hagenkord "konstruktiv vs. destruktiv" vor. "Um das Destruktive zu erkennen, müssen wir hinter das Label schauen, um den Preis, dass es nicht mehr so einfach ist, Haltungen und Überzeugungen genau zu verstehen", so der Ordensmann und Journalist. Das sei aber auch "der Preis wachsender innerkirchlicher Pluralität".


Bernd Hagenkord, Theologe und ehemaliger geistlicher Begleiter des Synodalen Wegs / © Harald Oppitz (KNA)
Bernd Hagenkord, Theologe und ehemaliger geistlicher Begleiter des Synodalen Wegs / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA