eingekochtes Schwedensommerglück

Erinnerungen im Glas

Seit zehn Jahren schimmert die Sonne in den kleinen Gläsern. Dunkelblaurot. Seit zehn Jahren erinnert mich Blaubeermarmelade an unseren einzigartigen Schwedenurlaub.

Blaubeeren / © Joanna Kosinska
Blaubeeren / © Joanna Kosinska

Ich sehe den Großen noch, nass bis auf die Haut, im Sommerregen strahlen. Sehe ihn sehr müde und sehr glücklich blinzeln. Nach der Nacht, die er mit Papa auf einer Insel im See im Freien verbracht hat. Und sehe ihn begeistert im schattigen Wald und auf hellen Lichtungen Blaubeeren pflücken. Obwohl dieses Kind bis heute jede eintönige Arbeit wie die Pest hasst.

In der schwedenroten Wohnung am See, gab es dann Beeren in jeder Form: puristisch mit Milch und Zucker, klassisch als Blaubeerpfannkuchen und Blaubeermarmelade, wie in alten Zeiten als Blaubeersaft: mein Mann machte es seiner Mama nach, drehte einen Küchenstuhl um, knotete ein Küchenhandtuch zwischen die Stuhlbeine, schüttete den aufgekochten Beerensud hinein.

Aus den Gläsern wurden unsere Urlaubsmitbringsel, wir verschenkten eingekochtes Schwedenurlaubsglück.

Zwei Gläschen aber gab ich nicht her. Dekorativ im Küchenregal stehend, sollten sie mir das Schwedenurlaubsglück vor Augen führen.  Besonders als die Kinder aufhörten, Kinder zu sein, die Waffen der Pubertät entdeckten und Dinge sagten wie: "Warum  habe ich nur Euch als Eltern bekommen?", oder „Wenn du so weiter machst, bist du nicht mehr meine Mutter“, dann schaute ich mal tapfer, mal trotzig auf die Blaubeermarmelade neben den Kochbüchern: wenigstens die, die Blaubeermarmelade, war  uns gelungen.

Sonntags erwarten wir Sr. Karoline Mayer, die seit über 40 Jahren mit den Armen in Lateinamerika  lebt. Im Gepäck hat sie oft ihre unter einfachsten Bedingungen gekochte Aprikosenmarmelade. Leuchtendes Zeichen von Hoffnung und Solidarität. Als ich überlege, was ich ihr zu Ehren auf den Tisch bringen könnte, bleiben meine Augen an der Blaubeermarmelade im Regal hängen.

"Auf keinen Fall,  ich brauche die Erinnerung! " herrscht mich eine Stimme aus meinem Herzen an. "Das Leben mit den Kindern ist vorbei", sagt so sanft wie bestimmt eine andere.

Ich gebe mir einen Ruck.

Während ich Blaubeervanilletörtchen backe, weiß ich: Ich kann die Kinder nicht einkochen. Sie gehören nur sich selbst. Und dem Leben. 

Dieses Leben werde  ich heute mit den konservierten Blaubeeren feiern.

Hoffe, dass das Glück, z.B. das aus jenem Schwedensommer, in den Zellen der Kinder eine so leuchtende Spur gelegt hat, dass sie es wieder finden können. Auf ihren eigenen Wegen.

 

Und ich auf meinen auch.