Einweihung des Richter-Fensters - Bilder in der Galerie, Predigt und Interviews exklusiv

"Speculum Lucis"

Zur Einweihung des neuen Südquerhaus-Fensters im Kölner Dom übertrug domradio.de den Wortgottesdienst mit Dompropst Norbert Feldhoff. Die Predigt hielt der Künstlerseelsorger Domkapitular Josef Sauerborn. Domchor, Mädchenchor am Kölner Dom und Vokalensemble sangen unter der Leitung von Domkapellmeister Eberhard Metternich und Domkantor Oliver Sperling verschiedene Kompositionen, u. a. eine eigens für die Feier komponierte Klanginstallation "speculum lucis". Die Orgel spielte Domorganist Winfried Bönig - auch er hat ein eigenes Werk komponiert, das vom Fenster inspiriert wurde: "Lux et color" heißt diese Komposition. Ansprache, Predigt, Bilder und vieles mehr finden Sie hier.

 (DR)

Die Unruhe im Kölner Dom ist größer als vor anderen Gottesdiensten. Nicht nur, dass es mehr Menschen sind als gewöhnlich, die an diesem Samstag in das Gotteshaus streben. Es liegt vielmehr daran, dass die Besucher sich nicht setzen wollen.

Sie versuchen zuallererst in die Vierung vor dem Altar zu gelangen, um von dort einen Blick in das Südquerhaus werfen zu können. Hier präsentiert sich zum ersten Mal ein neues Fenster der Öffentlichkeit. Geschaffen hat es der international bekannte Künstler Gerhard Richter. Es ist fast 19 Meter hoch und 9,50 Meter breit und besteht aus 11.263 Quadraten in 72 Farben. Ein abstraktes Kunstwerk des 21. Jahrhunderts in einem gotischen Dom.

Jetzt sehen auch zum ersten Mal die rund 1.200 Stifter das Fenster, dessen 370.000 Euro teuren Einbau sie mit Spenden ermöglicht haben. Bis Freitagabend war es mit einem schwarzen Vorhang verhängt. Die Wirkung jetzt am Vormittag ist gewaltig, aber nicht provozierend. Das Leuchten der Farben, das an diesem strahlenden Sonnentag besonders intensiv ausfällt, korrespondiert mit der Wirkung der anderen Fenster. Das ist kein Zufall. Richter hatte sich an deren Farbkanon sowie an anderen Fenstern aus dem Mittelalter orientiert. Und noch eine Unterordnung gelingt dem Richter-Fenster. Es dient, so sagt Dompropst Norbert Feldhoff zu Beginn des Gottesdienstes, "wie alle Kunst im Dom dem Lob Gottes".

Das Thema Licht zieht sich durch den ganzen Gottesdienst.
Domkapitular Josef Sauerborn, der auch Künstlerseelsorger des Erzbistums ist, kommt in seiner Predigt von der Schöpfungsgeschichte und dem Satz "Es werde Licht" über den Dom als "Kathedrale des Lichts" auf das Richter-Fenster. Es verdränge nicht, es mache sich nicht breit, sondern binde sich "in seiner so anderen und eigenen ästhetischen Sprache" in die große Tradition der Jahrhunderte ein, die der Kölner Dom umfange. "In seiner überwältigenden Farbenfülle ist es selbst eine Symphonie des Lichts, in der alle Farben des Doms erklingen", so Sauerborn.
Nach der Predigt erklingen "Lux et Color", eine Improvisation von Domorganist Winfried Bönig, und "Speculum lucis", eine Klanginstallation von Domkantor Oliver Sperling. Beide Werke wurden extra für den Anlass kreiert.

Richter selbst, der den Entwurf dem Dom geschenkt hat, hatte sein Werk zuvor bescheiden noch als "jedenfalls nicht misslungen" beurteilt. Viel mehr ist an diesem Tag nicht aus ihm herauszubekommen. Aber er muss sich nicht selber loben.

Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner bezeichnet die Einweihung des Fensters als "großen Tag für den Dom". Oberbürgermeister Fritz Schramma sagt: "Der Dom ist reicher geworden und damit auch die Stadt." Und für Dompropst Feldhoff ist das Richter-Fenster sogar "ein entscheidender Schritt zur Vollendung des Doms".

Am besten aber lobt an diesem Tag das Werk selbst den Künstler.
Als nach der Einweihung durch den Dompropst Weihrauch in der Kirche emporsteigt, spiegeln sich darin in einem tanzenden Spiel alle Farben des neuen Fensters. Ein Raunen geht durch die gotische Kathedrale. Während der Planungen hatte Dompropst Feldhoff den Wunsch geäußert, das Fenster möge ein von Farben schillerndes Licht schaffen und damit "ein Flair, das für das Religiöse öffnet". Jetzt spricht ein junger Mann im Nordquerhaus halblaut aus, was vermutlich einige Menschen in dem Augenblick
erfasst: "Es ist zum Niederknien", sagt er.