domradio.de: Sie werden nicht müde, sich für ein Verbot von Atomwaffen auszusprechen. Sind wir davon heute vielleicht weiter entfernt denn je, wo Nordkorea mit den Säbeln rasselt und in Washington und Moskau Männer wie Trump und Putin an der Macht sind?
Renke Brahms (Pastor und Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland): Die Rhetorik der letzten Tage entsetzt mich. Es macht vielleicht noch einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, Schritte hin zu einer atomwaffenfreien Welt oder zunächst einmal zu einer deutlicheren Kontrolle zu gehen. Denn nicht nur Nord- und Südkorea, sondern der ganze asiatische Raum dort ist ein waffenstrotzendes Pulverfass. Schon wenn man nur rhetorisch die Lunte an dieses Fass legt, so ist das ein Grund zur größten Sorge und Entsetzen.
domradio.de: Was bedeuten denn für Sie die Jahrestage der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki?
Brahms: Ich habe in den letzten Tagen noch einmal darüber nachgedacht, gelesen und eine Dokumentation gesehen, und mir ist dabei noch einmal deutlich geworden, dass es so weit weg von Europa ist. Deswegen denken vielleicht viele bei uns nicht daran. Aber wenn Menschen von ihren Erfahrungen damals aus der Region und diesen beiden Städten erzählen, dann wird ganz klar, wie schrecklich das war - mit 140.000 Toten in Hiroshima und noch einmal 70.000 Toten in Nagasaki sowie den ganzen Spätfolgen für viele Generationen von Menschen. Das ist ein Schreckensgrund und man sollte darüber immer wieder nachdenken und es als deutliche Mahnung auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt verstehen.
domradio.de: Erst im Juli hat die UNO ein Atomwaffenverbot beschlossen, an dem sich 122 Staaten beteiligt haben. Deutschland ist nicht dabei. Welche Botschaft sendet die Bundesregierung damit aus?
Brahms: Die Bundesregierung begründet es damit, dass sie den Nichtverbreitungsvertrag unterstützt und nicht aus der NATO-Phalanx ausscheren will. Ich halte das für keine guten Gründe. Auch andere NATO-Staaten haben inzwischen einen Vorstoß zu einem Atomwaffenverbotsvertrag unterstützt. Ich glaube, das Signal wäre eher, die Mehrheit der Weltgemeinschaft in der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu unterstützen, denn die Mehrheit ist heute deutlich auf dem Weg zu einer solchen atomwaffenfreien Welt.
domradio.de: Deutschland ist zwar keine Atommacht, aber auch bei uns sind immer noch Kernwaffen stationiert. Büchel gilt als der einzige Standtort in Deutschland, an dem noch US-Atomwaffen gelagert werden. Sollte sich die Bundesregierung nicht auch dagegen wehren?
Brahms: Ich finde, die sollten abgezogen werden. Es gab schon einmal vor einigen Jahren in der Bundesregierung unter einer anderen Koalition den Versuch und den politischen Willen dazu. Das ist leider gescheitert und nicht weiter verfolgt worden. Ich glaube aber, dass wir heute eher damit ein Signal senden müssen. Diese Waffen sollten vor allen Dingen vor dem Hintergrund abgezogen werden, dass sie nicht nur einfach dort lagern, sondern das Programme unterwegs sind, die Atomwaffensprengköpfe zu modernisieren und damit wieder zu einem Waffensystem zu machen, das in strategische Überlegungen mit einbezogen wird. Insofern ist es umso dringender nötig, die Waffen abzuziehen.
domradio.de: Scheitert der Traum von einer Welt ohne Kernwaffen nicht an den Gesetzen der Realpolitik?
Brahms: Das haben bestimmt Menschen auch gedacht und gesagt, als es darum ging, Chemiewaffen immer weiter vorrätig zu halten und diesbezüglich kein Waffenverbot auszusprechen. Heute ächten wir diese Chemiewaffen. Es gibt durchaus Konsequenzen daraus. Das war ein langer Weg zu dieser Ächtung. Man darf den langen Weg zu einem Atomwaffenverbot auch nicht unterschätzen, aber man muss ihn beginnen. Dafür bieten auch die internationale Gemeinschaft und der Vertrag eine gute Chance. Das sollte man unbedingt unterstützen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.