Staubtrocken und grau sind die Hänge in Huachipa, einem der großen Armenviertel an der Ausfallstraße der peruanischen Hauptstadt Lima in Richtung Anden. Hier regnet es nie, und gerade deswegen ist es ein Problem, wenn auf einmal zu viel Wasser von den Anden herunterkommt.
"Wir konnten jeden Tag sehen, wie der Fluss Huaycoloro anschwoll und das Fundament unserer Häuser aushöhlte", erzählt Maribel Simon. Sie zeigt auf ein Häuschen in etwa 100 Meter Entfernung: der vordere Teil existiert nicht mehr, der hintere Teil steht haarscharf am Abgrund des Flusses. Maribel und ihre sechsköpfige Familie können darin nicht mehr wohnen und sind vorerst bei Verwandten untergekommen.
Land der geografischen und klimatischen Extreme
Peru ist ein Land der geografischen und klimatischen Extreme: während die gesamte Küste Perus eine Wüste ist, regnet es in den Anden in den Monaten Dezember bis März, und die sonst trockenen Flüsse füllen sich mit Wasser. Alle 10 bis 15 Jahre jedoch erwärmt sich der Pazifik und löst das El-Nino-Phänomen aus: In den Bergen hört es nicht auf zu regnen, und ehemals kleine Rinnsale werden zu reißenden Fluten, die auf dem Weg ins Tal alles mitnehmen, was ihnen im Weg steht: Häuser, Felder, Menschen, Tiere, Autos, Steine.
Besonders betroffen von den Überschwemmungen ist der Norden Perus. Dort stehen die großen Städte Piura und Trujillo immer wieder unter Wasser, sobald ein neuer "Huayco", eine Schlammlawine, die Anden herunterdonnert. "Rund 80 Prozent der 600.000 betroffenen Menschen leben in Nordperu", sagt Angel Allccarima, der Katastrophenschutz-Beauftragte der peruanischen Caritas.
76 Menschen haben in den Fluten bisher ihr Leben verloren, fast 100.000 ihr ganzes Hab und Gut. Da die Hauptverkehrsstraße in den Norden des Landes ebenfalls unterbrochen ist, muss die Caritas die Hilfsgüter per Schiff oder Flugzeug in die betroffenen Gebiete bringen.
Warum dieser El Nino so großen Schaden anrichtet, zeigt sich anschaulich am Beispiel von Maribel Simon im Armenviertel Huachipa in Lima. "Vor fünf Jahren wurde unser Haus schon mal überschwemmt", berichtet die 41-jährige Fabrikarbeiterin. Dennoch hat die Familie ihr Haus wieder an derselben Stelle, direkt am trockenen Flusslauf, errichtet.
Unkontrolliertes Wachstum
Die peruanischen Städte sind in den vergangenen Jahrzehnten unkontrolliert gewachsen. Mit einer gekauften Baugenehmigung - oder ganz ohne Erlaubnis - haben sich Menschen in jahrelang trockenen Flussläufen niedergelassen. Oder sie haben den illegalen Grundstückshändlern geglaubt, die ihnen mit falschen Versprechungen ein Stück Land auf ehemaligen Müllkippen oder an Flussläufen verkauft haben.
Keine Polizei, keine Behörde ist eingeschritten. Die für den Zivilschutz zuständigen Gemeinden haben es zudem versäumt, Ufer zu befestigen, Abflüsse zu bauen oder die Leute aufzuklären. "Planende Voraussicht ist keine Stärke unseres Landes", sagt Bischof Norbert Strotmann von der betroffenen Diözese Chosica im Osten Limas.
Trinkwassermangel
Paradoxerweise ist eine Folge der Überschwemmungen der Trinkwassermangel. Tagelang kam in der Neun-Millionen-Stadt Lima kein Wasser aus der Leitung. Das im Überfluss vorhandene Flusswasser war so stark verschmutzt mit Schlamm, Steinen und Abfall, dass der staatliche Trinkwasserversorger es nicht aufbereiten konnte. Schulen und Universitäten sagten Unterricht ab.
Auch die traditionsreiche Päpstliche Katholische Universität von Peru (PUCP) schloss für eine Woche ihre Pforten. Man könne die Wasserversorgung für 25.000 Studierende nicht garantieren, hieß es zur Begründung.
Dabei hat gerade diese Woche für die katholische Universität eine besondere Bedeutung: an diesem Freitag (24. März) feiert sie ihren 100. Geburtstag. Die Päpstliche Katholische Universität, eine der wichtigsten Hochschulen Perus, hatte erst im Oktober 2016 einen jahrelangen Disput mit dem Vatikan über die Statuten der Universität beigelegt.
Die Regenfälle sollen noch bis April anhalten. Entwarnung ist nicht in Sicht. Dass das periodisch wiederkehrende Wetterphänomen El Nino auch heute noch so große Schäden anrichtet, deutet auf ein Grundproblem Perus hin: "Politik und Wirtschaft setzen auf ein Wachstumsmodell, das Naturzerstörung in Kauf nimmt", so Strotmann. "Als Kirche können wir da nur versuchen, das gesellschaftliche Bewusstsein zu verändern."