Eltern in Deutschland haben keine Lobby

Viel beachtet, aber wenig geschätzt

Wie geht es Eltern in Deutschland? Das sollte eine Studie im Auftrag der Zeitschrift "Eltern" herausfinden. Beklagt wurden ungleiche Bildungschancen und die finanzielle Benachteiligung von Familien. Besonders Mütter fühlten sich als Hilfslehrer ausgebeutet, klagt Marie-Luise Lewicki, Chefredakteurin der Zeitschrift "Eltern" im domradio Interview. Sie hob hervor, dass die meisten Eltern das Zusammensein mit ihren Kindern genießen würden. Gleichzeitig hätten sie klare Vorstellungen von der Erziehung ihrer Kinder.

 (DR)

«Viele Eltern haben den Eindruck, vor allem als überforderte Problemgruppe wahrgenommen zu werden. Sie fühlen sich enorm unter Druck und zu wenig geschätzt mit dem, was sie tagtäglich leisten«, sagte »Eltern«-Chefredakteurin Marie-Luise Lewicki. Auch die Arbeitswelt habe nach Auffassung der meisten Eltern kein Verständnis für das Leben mit Kindern.

35 Prozent finden, dass Deutschland kein gutes Land für Familien ist, unter anderem aufgrund unzureichender Betreuungsmöglichkeiten. Besonders für Schulkinder seien die Betreuungsmöglichkeiten unzureichend. Viel Mütter fürchteten um die Bildungschancen ihrer Kinder und fühlten sich gleichzeitig als Hilfslehrer missbraucht. Ganztagsschulen könnten für viele Familien entlasstend wirken, erläutert Marie-Luise Lewicki.

Partnerschaftliche Arbeitsteilung gewünscht
Die meisten Eltern in Deutschland wollen Kinder und Job unter einen Hut bringen. Die Mehrheit wünscht sich eine gleichberechtigte Aufgabenverteilung in der Familie. 62 Prozent der in Partnerschaften lebenden Mütter und Väter möchten, dass beide Elternteile berufstätig sind und sich ebenfalls beide um die Kindererziehung kümmern. Unflexible Arbeitszeiten und eine zu hohe Arbeitsbelastung stünden dem aber häufig im Weg. Von den repräsentativ ausgewählten mehr als 1.000 Befragten mit Kindern unter elf Jahren litten insgesamt 57 Prozent unter einem familienfeindlichen Arbeitsumfeld.

So entspricht die partnerschaftliche Arbeitsteilung auch nur bei 29 Prozent der Befragten der Realität. Mit dem Unterschied zwischen Wunsch und Wahrheit gehen Eltern jedoch offenbar gelassen um: 62 Prozent der Männer und 43 Prozent der Frauen geben an, dennoch sehr zufrieden mit der jetzigen Aufgabenteilung zu sein.

Geringes Einkommen verschärft Probleme
Eltern, die wenig verdienen oder keine gute Ausbildung haben, könnten Familie und Berufsleben besonders schlecht vereinbaren.
68 Prozent der Mütter und Väter mit Hauptschulabschluss sagen, sie hätten gern mehr Zeit für ihre Kinder, aber die Arbeitswelt habe dafür kein Verständnis. Dasselbe Problem haben 63 Prozent der Haushalte mit einem Nettoeinkommen von weniger als 1.500 Euro.

«Am unteren Ende ist das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf am größten», sagt die Chefredakteurin von «Eltern», Marie-Luise Lewicki. Die Politik und die öffentliche Debatte müssten daher auch das Augenmerk auf diese Gruppe richten, statt sich auf Akademiker und Gutverdienende zu konzentrieren.

Mehr Entlastung gefordert
Die meisten Eltern haben in Deutschland trotz mehr als 150 staatlicher Familienleistungen das Gefühl, finanziell ausgenommen zu werden. 44 Prozent der Befragten meinen, sie müssten wegen der Kinder auf vieles verzichten. 35 Prozent finden, dass man in Deutschland mit Kindern nicht gut leben kann. Grund sind vor allem finanzielle Belastungen: 90 Prozent der Unzufriedenen finden die Lebenshaltungskosten zu hoch, 82 Prozent bemängeln, dass der Staat Familien zu wenig entlaste. 75 Prozent sehen zu wenige und unflexible Betreuungsangebote als Grund. 60 Prozent aller Eltern fürchten, dass es ihren Kindern später finanziell schlechter gehen wird.

In der Berichterstattung durch die Presse sehen sich viele Eltern unter Generalverdacht gestellt, etwa durch Artikel über vernachlässigte Kinder. 65 Prozent der Befragten sagen, es würden zu schnell Rückschlüsse von negativen Einzelfällen auf alle Eltern gezogen. 63 Prozent sind der Meinung, dass über Familien nur in negativen Zusammenhängen berichtet wird.

Für die Erhebung wurden den Angaben nach 1.014 Väter und Mütter mit Kindern unter elf Jahren befragt.