Eltern und Geschwister waren für den Papst immer wichtig

Die "heilige" Familie

Wenn Benedikt XVI. am 11. September abends in Regensburg eintrifft, kommt er wirklich nach Hause. In der alten Reichsstadt, deren mittelalterliches Zentrum gerade zum Welterbe erhoben wurde, wohnt sein drei Jahre älterer Bruder Georg Ratzinger. Er ist der letzte lebende enge Verwandte des Papstes.

 (DR)

Wenn Benedikt XVI. am 11. September abends in Regensburg eintrifft, kommt er wirklich nach Hause. In der alten Reichsstadt, deren mittelalterliches Zentrum gerade zum Welterbe erhoben wurde, wohnt sein drei Jahre älterer Bruder Georg Ratzinger. Er ist der letzte lebende enge Verwandte des Papstes. Den Sommermonat August verbringen die Geschwister immer gemeinsam in der päpstlichen Sommerresidenz.


Der direkte Draht zum Papst
Aber auch von Regensburg hat der 82-jährige Georg einen direkten Draht zum Papst. Dazu wurde in seinem Haus in der Altstadt ein eigenes Telefon installiert: "Wenn das schellt, weiß ich, dass mein Bruder dran ist." Jede Woche telefonieren die beiden. Meist ruft der Papst selber an, "weil ich leichter erreichbar bin als er", erklärt der frühere Domkapellmeister augenzwinkernd.

Eltern des Papstes haben sich über Anzeige kennengelernt
Der Familiensinn ist und war im Hause Ratzinger stark ausgeprägt.Die Strenge des Vaters glich die Mutter durch Herzlichkeit aus. "Es waren zwei sehr verschiedene Temperamente, die sich gerade durch ihre Verschiedenheit auch sehr gut ergänzt haben", sagte Benedikt XVI. dem Journalisten Peter Seewald. Die Eltern des heutigen Papstes hatten spät geheiratet. Joseph Ratzinger, ein Gendarm, und die Köchin Maria Rieger schlossen am 9. November 1920 in Pleiskirchen den Bund fürs Leben. Der Bräutigam war 43, die Braut 36 Jahre alt. Die beiden sollen sich über eine Anzeige im "Altöttinger Liebfrauenboten" kennen gelernt haben.

Tochter Maria kam 1921 zur Welt, 1924 folgte Sohn Georg und drei Jahre später der Jüngste, Joseph. Der Glaube war ein fester Bestandteil im Leben der Familie. Zu allen Mahlzeiten wurde gebetet, außerdem ging man, wenn Zeit war, nicht nur sonntags, sondern auch unter der Woche in den Gottesdienst. Der Vater legte Wert auf eine ordentliche Ausbildung seiner Kinder. Dabei kam auch die Musik nicht zu kurz. Die Kinder lernten das Harmonium-Spiel, um später in der Kirche die Heilige Messe auf der Orgel begleiten zu können.

Hitlerzeit und Krieg
Die Hitlerzeit und der Krieg ließen die Familie noch enger zusammenrücken. Der Vater machte aus seiner Ablehnung der Nazis kein Hehl und war froh, mit 60 Jahren aus dem Polizeidienst ausscheiden zu können. 1945 galt Georg Ratzinger, der Soldat in Italien war, mehrere Monate als vermisst. Als er im Sommer plötzlich gesund zu Hause wieder auftauchte, war die Erleichterung groß. Gemeinsam stürzten sich beide Brüder, die bereits in Traunstein das Erzbischöfliche Studienseminar Sankt Michael besucht hatten, kurz darauf in das Studium der Philosophie und Theologie.

Als Vater und Mutter in die Jahre kamen, nahm Joseph sie in seiner Freisinger Wohnung auf. Nachdem er jedoch den Ruf an die Bonner Universität erhalten hatte, musste eine neue Lösung her.
Schnell war klar, dass die Eltern künftig bei Georg leben sollten. Denn er war Chordirektor an der Stadtpfarrkirche in der alten Heimat Traunstein geworden. Schwester Maria gab indes ihren Beruf als Sekretärin auf, um dem jungen Professor den Haushalt zu führen. Sie blieb von da an stets an seiner Seite - auch als Joseph Ratzinger als Erzbischof nach München und dann als Präfekt der Glaubenskongregation nach Rom ging.

Besuch beim Familiengrab
Kurz vor ihrem 70. Geburtstag starb Maria 1991 überraschend bei einem Besuch in Regensburg. Ihre letzte Ruhe fand sie auf dem Ziegetsdorfer Friedhof am Stadtrand. Nachdem die Stadt Ende 1969 der Lebensmittelpunkt der Geschwister geworden war, hatten sie kurz darauf ihre Eltern (der Vater starb 1959, die Mutter 1963) dorthin umbetten lassen. So fühlte sich die Familie nach langen Jahren der Trennung endlich wieder vereint. An seinem freien Tag in Regensburg wird der Papst nicht nur bei seinem Bruder zuhause Mittag essen, sondern auch mit ihm zum Familiengrab gehen und dann im nicht weit entfernten Pentling sein "Häusl" besuchen.

"Ich sag weiter Joseph"
Leicht fiel es Georg Ratzinger nicht, das Ergebnis des Konklaves anzunehmen. Seine ersten Reaktionen auf die Wahl seines Bruders zum Papst ließen erkennen, dass die Brüder auf ihre alten Tage andere Pläne hatten. Es dauerte mehrere Tage, bis der Domkapellmeister die Entscheidung als eine gottgegebene annehmen konnte. Ein Umzug nach Rom kam für ihn nie in Frage. Im Apostolischen Palast verfügt er dennoch inzwischen über eigene Räume. Am Umgang miteinander hat das hohe Amt nichts geändert."Ich sag' zu ihm weiter Joseph", bekannte Georg einmal.
(kna)