Das seien entscheidende Fragen für ein friedliches Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft, betonte der Berliner Erzbischof. Konsistorialpräsident Jörg Antoine von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) sagte, er hoffe auf mehr Toleranz und Gelassenheit im Umgang mit religiösen Symbolen.
Das Bundesarbeitsgericht erklärte am Donnerstag in Erfurt das pauschale Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen, wie es nach dem Neutralitätsgesetz gefordert ist, für verfassungswidrig. Das seit 2005 geltende Gesetz verbietet bestimmten staatlichen Beschäftigten im Dienst auffällige religiöse und weltanschauliche Symbole und Kleidung. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 entschieden, dass solche Verbote im Bildungsbereich nur dann zulässig sind, wenn der Schulfrieden konkret gefährdet ist.
Grundrecht der Religionsfreiheit mehr achten
"Nach über fünf Jahren ist es an der Zeit, im Berliner Neutralitätsgesetz dem Grundrecht der Religionsfreiheit mehr Beachtung zu schenken", so Präsident Antoine unter Verweis auf das Karlsruher Urteil von 2015. Das Land Berlin habe in dem Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht nicht nachweisen können, dass der vorliegende Fall der Kopftuch tragenden Lehrerin den Schulfrieden konkret bedroht hätte.
Das Prüfen einer solchen konkreten Gefährdungslage wäre aber die Arbeit der staatlichen Verwaltung gewesen. "Wer eine tolerante und plurale Gesellschaft möchte, sollte nicht auf das Verbot religiöser Symbole setzen", forderte der Kirchenjurist.
Politik ist sich uneinig
Für die rot-rot-grüne Berliner Koalition wird das Kopftuch-Urteil zur Belastung. Bildungsstaatssekretärin Beate Stoffers (SPD) erklärte am Donnerstagabend im rbb-Fernsehen, die Senatsbildungsverwaltung wolle am Neutralitätsgesetz festhalten. Nach der schriftlichen Urteilsbegründung werde die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde geprüft, um das Gesetz vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu bringen.
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) vertrat dagegen die Auffassung, das Gesetz sei in der gegenwärtigen Form "nicht zu halten". Behrendt sagte, als der für Antidiskriminierung zuständige Senator freue er sich über das Urteil. Nun wäre es klug, wenn die Berliner Koalition das Neutralitätsgesetz entsprechend anpasse. Die Berliner Praxis, Lehrerinnen mit Kopftuch aus den staatlichen Schulen fernzuhalten, sei durch das Erfurter Urteil beendet und müsse rechtlich umgesetzt werden.
Berliner CDU fordert Reform
Auch die Berliner CDU forderte ein Reform des Neutralitätsgesetzes. Es müsse so formuliert werden, dass die Gefahr für den Schulbetrieb und die staatliche Neutralität durch religiöse Symbole bereits im Gesetz klar benannt und die Verantwortung nicht auf einzelne Schulen abgeladen werde, betonte am Freitag der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Falko Liecke im Unterschied zur Position der Grünen.
Der Berliner Senat müsse noch in diesem Jahr ein rechtssicheres Gesetz vorlegen, das Kopftücher und andere religiöse Symbole bei Vertretern des Staates nicht zulasse. Liecke wertete das Erfurter Urteil als "Schlag ins Gesicht all jener mutigen Muslime, die sich für einen modernen und aufgeklärten Islam einsetzen und deswegen angefeindet und bedroht werden".