Pflegeheim-Geschäftsführer begrüßt Impfpflicht für Pflegepersonal

"Entsprechenden Mitarbeiter kündigen"

Der Bundestag hat eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Die Neuregelung sieht unter anderem eine Impfpflicht für Pflegepersonal vor. Wie sieht das der Geschäftsführer eines Pflegeheims in Braunschweig?

Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig der Pflegeberuf ist / © michaeljung (shutterstock)
Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig der Pflegeberuf ist / © michaeljung ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Eine Impfpflicht für das Personal von Krankenhäusern und Pflegeheimen: Wie finden Sie das?

Ulrich Zerreßen (Geschäftsführer und Einrichtungsleiter des evangelischen Pflegeheims Bethanien in Braunschweig): Grundsätzlich ist es angemessen und sehr gut, denn es gilt ja einfach, unsere Bewohner letztendlich von diesen Infektionen zu schützen und Leib und Leben zu wahren. Und es gibt auch noch entsprechende Hinweise, dass dieses Impfen wirklich hilft. Denn wir haben nach dem Frühjahr 2021 jetzt kurz vor Weihnachten 2021 die nächsten Ausbrüche. Und siehe da, wenn der Bewohner auch geboostert ist, dann ist der Bewohner in den PCR-Testungen sehr oft positiv, zeigt aber keinerlei Symptome.

DOMRADIO.DE: Das gilt für Bewohner. Die Impfpflicht soll ja für das Personal gelten.

Zerreßen: Der zweite Hinweis, der doch viel wichtiger ist, ist, dass wenn man einen CT-Wert erreicht, bei einer PCR-Testung, der größer als 35 ist, man für Dritte nicht infektiös ist. Das heißt, man kann die Infektion nicht weitergeben. Ist man aber nicht geimpft und infiziert: Erstens fällt der Mitarbeiter aus, und das beim Pflegenotstand. Da ist das schon mal sehr schwierig. Und zum Zweiten gibt er im Prinzip die Infektion, aufgrund der Inkubationszeit, entsprechend weiter.

DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie denn das eigentlich ein, wenn man jetzt in den sowieso existierenden Pflegenotstand hinein sagt: Du musst dich aber impfen lassen, auch wenn du das nicht möchtest. Birgt das nicht die Gefahr, dass die Leute dann sagen "Dann werde ich jetzt eben Autoverkäufer"?

Zerreßen: Ich mache es mal andersherum, ich sage einfach mal: die eine Hälfte wird sich wahrscheinlich impfen lassen und die andere Hälfte wird sich nicht impfen lassen und wird dann auch den Beruf verlassen. Wobei wir im Prinzip schon seit Wochen die Gespräche mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gesucht haben. Und das auch letztendlich mit einem guten Geheiß und guten Gehör. Wir haben eine sehr hohe Impfquote bei unseren Pflegemitarbeitenden erreichen können und eine Vielzahl von bisher nicht Geimpften auch davon überzeugt. Gerade aufgrund der positiven Impfung bei corona-positiver Belastung, dass tatsächlich eben keine Symptome auftreten und der Krankheitsverlauf wesentlich milder ist.

DOMRADIO.DE: Das heißt, bei Ihnen sind auch noch nicht alle, aber viele geimpft?

Zerreßen: Es sind viele geimpft. Wir haben uns hier Nichtgeimpfte einfach zum Gespräch geholt, auch total zwanglos, haben einfach noch mal auf unsere Erfahrungen, unsere Ergebnisse, hingewiesen, auf die Risiken, die nach wie vor bei Nichtgeimpften für die Bewohner damit verbunden sind. Denn, wenn sie Bewohner haben, die entsprechende Vorerkrankungen haben, auch wenn sie dreimal geimpft sind, bei schlechtem Immunsystem, kann Corona trotzdem noch massive Auswirkungen herbeiführen oder letztendlich in der Konsequenz auch zum Tode führen. Das ist genau das, was nicht passieren darf.

DOMRADIO.DE: Jetzt kommt eben zum März diese Impfpflicht für die Leute. Wenn Sie dann jetzt jemanden haben, der sagt, dass er partout nicht will, müssen Sie dann eigentlich auch den Menschen kündigen?

Zerreßen: Also ich gehe mal davon aus, dass wir ihn kündigen müssen. Dazu gibt es momentan noch keine weiteren gesetzlichen Regelungen oder Hinweise. Das werden wir über unseren Spitzenverband, denke ich mal, rechtzeitig an dieser Stelle auch erfahren, wie man arbeitsrechtlich damit umgeht. Wobei, da gibt es noch keine Verhaltensregeln. Nur, wenn es gesetzlich festgelegt ist, dass derjenige "geimpft sein muss", dann wird uns wahrscheinlich als Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis ja unterhält, nichts anderes übrig bleiben, wenn wir so verfahren wollen, dass wir diesen entsprechenden Mitarbeiter nun mal kündigen werden. 

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich für die derzeit sehr belasteten Pflegekräfte von der Politik?

Zerreßen: Erst mal wünsche ich mir, dass man hingeht und sich endlich mal Gedanken macht, wie man den Pflegeberuf attraktiver machen kann, um einfach wieder mehr Pflegekräfte gewinnen zu können. Wie kann man sich aus dem Pflegenotstand vielleicht herausarbeiten? Man hat in den 60er, 70er Jahren Anwerberprogramme aufgelegt, auch seitens der damaligen Bundesregierung. Die vermisse ich heute sehr, denn ich denke, dass auf lange Sicht die Pflegeproblematik nur durch die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte herbeizuführen ist. Und dass man vielleicht auch noch mal an der Stelle kritisch schaut: Welche Voraussetzungen müssen wirklich erfüllt sein, damit auch die Ausbildungen ausländischer Pflegekräfte in Deutschland anerkannt werden? Das ist oft ein großes Hindernis und dauert Monate, wenn nicht sogar manchmal ein ganzes Jahr. Oder sie werden gar nicht anerkannt.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR