Entwicklungsorganisationen sehen G-20-Beschlüsse skeptisch

"Nullen allein kann man nicht essen"

Entwicklungspolitische Organisationen in Deutschland haben die Beschlüsse des G-20-Gipfels mit Skepsis aufgenommen. "Die Verlierer des Tages und Hauptopfer der Krise sind die ärmsten Länder", urteilte das ökumenische Südwind-Institut am Freitag in Siegburg. "Sie waren beim Gipfel nicht vertreten und werden von den Beschlüssen am wenigsten profitieren."

 (DR)

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) begrüßte die beschlossene Aufstockung der Mittel des Internationalen Währungsfonds (IWF) um 500 Milliarden US-Dollar. Die Weltbank und andere Entwicklungsbanken sollen 100 Milliarden Dollar erhalten. Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer hätten zudem die Millenniumsziele zur Armutsbekämpfung und die Notwendigkeit einer Erhöhung der Entwicklungshilfe bekräftigt.

Der UN-Berater Jean Ziegler und das Südwind-Institut sehen die Stärkung des IWF dagegen mit Sorge. Der IWF sei die "undemokratischste Organisation, die es gibt", da die finanzmächtigsten Staaten das Sagen hätten, sagte Ziegler im Deutschlandfunk. Er plädierte für eine Aufwertung der Vereinten Nationen mit ihren 192 Mitgliedsstaaten. Vom 1. bis 4. Juni findet in New York eine UN-Konferenz über die Folgen der Krise für die Entwicklungsländer statt.

Die Deutsche Welthungerhilfe warnte, die Zahl der Hungernden könnte von derzeit 963 Millionen Menschen auf über eine Milliarde bis Ende des Jahres steigen. "Mal wieder wurden auf einem Gipfeltreffen große Summen verkündet, aber was zählt ist das ernsthafte und dauerhafte Bemühen um ein faires globales Wirtschafts- und Finanzsystem", sagte Generalsekretär Hans-Joachim Preuß. "Nullen allein machen nicht satt!"

Irene Knoke von Südwind erklärte, der IWF habe in der Asienkrise
1997/98 eine unrühmliche Rolle gespielt, die zu einer Zunahme der Armut in vielen Ländern geführt habe. Die jüngste Krisenhilfe an Ungarn und Rumänien lasse befürchten, dass der Fonds zu wenig gelernt habe und sich weiter als Disziplinierungsinstrument sehe.

Da der IWF seine Mittel als Kredite vergibt, befürchten die Organisationen eine neue Verschuldungsspirale. Die Aufstockung der Mittel sollte daher mit der Einführung eines fairen Insolvenzverfahrens für Staaten einher gehen, forderte Jürgen Kaiser, Koordinator des Bündnisses erlassjahr.de, das sich für eine Streichung von Schulden der Entwicklungsländer einsetzt.

Die auf dem G-20-Gipfel beschlossene IWF-Stimmrechtsreform, die etwa China mehr Gewicht gibt, ist aus Sicht von Südwind unumgänglich, aber kein Fortschritt für die ärmsten Länder: "Im Grunde wurde der Kuchen jetzt mit ein paar Schwellenländern zusätzlich geteilt, die mit am Tisch saßen", sagte der Finanzexperte Pedro Morazán.