Erneute Vorwürfe Chinas gegen das geistliche Oberhaupt Tibets

Die Position des Dalai Lama

Die Gewalt tibetischer Demonstranten am 14. März sei von der "Clique" des Dalai Lama organisiert und gezielt vorbereitet worden. So lautet der Vorwurf der chinesischen Führung. Ziel sei, die Olympischen Spiele im August in Peking zu untergraben und Tibet von China abzuspalten, sagte der Gouverneur der Autonomen Region Tibet, Qiangba Puncog. Der Dalai Lama unterstrich in einer Reaktion erneut seine Unterstützung für die Spiele.

 (DR)

"Der selbst erklärte geistliche Führer hat offensichtlich seine Identität vergessen, seine Religion missbraucht und zu viel politisiert", berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag.

Inbegriff  Tibets
Auf die Vorwürfe der chinesischen Führung reagierte der Dalai Lama vergangene Woche mit einem Appell. Er kritisierte, die chinesischen Behörden hätten seine Position falsch wiedergegeben. Er habe immer wieder seine Unterstützung für die Olympischen Spiele unterstrichen, so das religiöse Oberhaupt der Tibeter. Dennoch hielten ihm die Behörden eine Sabotage der Spiele vor. Dies geschehe, "um einen Keil zwischen Chinesen und Tibeter zu treiben". Der Dalai Lama bekräftigte, er wolle keine Abspaltung Tibets und sprach sich für ein harmonisches und friedliches Zusammenleben aus.

Der Dalai Lama ist für für China, wie für den Westen zum Inbegriff der Demonstrationen für ein unabhängiges Tibet geworden.
"Formal ist der Dalai Lama das Regierungsoberhaupt der Tibeter", so Angela Krumpen, Tibet-Expertin des domradios. Jedoch habe er nie aktiv Politik betrieben und sehe sich vor allem als geistliches Oberhaupt seines Volkes. "Ohne Koketterie sagt der Dalai Lama von sich, ein einfacher Mönch zu sein, der nach seinen buddhistischen Prinzipien lebt."

Olympia: "Die Chinesen sollen stolz darauf sein"
Trotz des gewaltsamen Vorgehens Chinas gegen die Aufständischen hatte sich der Dalai Lama für die Austragung der Olympischen Sommerspiele in Peking ausgesprochen. "Ich will die Spiele", sagte er nach Ausbruch der Proteste in Tibet. "Die Chinesen sollen stolz darauf sein. China verdient, Gastgeber der Olympischen Spiele zu sein. Allerdings müsse das Land daran erinnert werden, "ein guter Gastgeber zu sein".

Kritisiert hat der Dalai Lama dagegen die gezielte Ansiedlung von Han-Chinesen in seiner Heimat. Die Ansiedlung sei eine Bedrohung der tibetischen Kultur. Dies sei ein "demografischer Angriff", sagte der 72-Jährige der indischen Tageszeitung "Hindustan Times". Ein uraltes Kulturerbe sei in ernster Gefahr.

"Ob mit oder ohne Absicht - es findet eine Art kultureller Völkermord statt", sagte der Friedensnobelpreisträger vor Journalisten. Das kommunistische China übe eine "Herrschaft des Terrors" aus, Tibeter würden als "Bürger zweiter Klasse" behandelt, fügte er hinzu. Der Friedensnobelpreisträger appellierte an die internationale Gemeinschaft, Druck auf China auszuüben, um einen Dialog zu beginnen. Er sei offen für Gespräche und warte auf Antwort von China.

Tibeter werden ungeduldig
Mit dieser Offenheit und Dialogbereitschaft setzt sich der Dalai Lama zunehmend der Kritik seiner in Tibet verbliebenen Landsleute aus. Die Menschen in Tibet sind ungeduldiger als ihr geistlicher Führer. Nach seiner Flucht ins Exil vor 49 Jahren hatte auch der Dalai Lama noch die Unabhängigkeit Tibets gefordert. Mitte der 80'er änderte er seine Haltung und beschränkte sich auf Autonomie für Tibet und Religionsfreiheit. "Das ist den jungen Tibetern zu wenig, viel zu wenig", so Angela Krumpen.
Die neue Generation von Tibetern ist nicht mehr unter dem spirituellen Einfluss des Dalai Lama groß geworden. Gewaltfreiheit gilt ihnen nicht mehr absolut. Hungerstreiks und Selbstverbrennungen, die der Dalai Lama ablehnt, sind für junge Tibeter ein legitimes, wenn auch verzweifeltes Mittel des politischen Protests.

Jahrestag: 10. März
Am Jahrestag des Tibetaufstands 1959 haben die Tibeter auch in diesem Jahr am 10. März für ihre Unabhängigkeit demonstriert. Vier Tage später waren die Proteste eskaliert. Chinesische Sicherheitskräfte gingen nach Augenzeugenberichten hart gegen Demonstranten vor und riegelten buddhistische Klöster ab. Seit Beginn des Aufstands starben nach Angaben von Exiltibetern rund 140 Menschen, mehr als tausend Menschen wurden verhaftet. Die Chinesische Regierung spricht von 414 Verhafteten und 19 Toten. Tibet bleibt seit dem Aufstand für Ausländer gesperrt.