Erntedankfest mit bitterem Beigeschmack

Keine heile Welt

Bauernverbände und die beiden großen Kirchen haben zu Erntedank dazu aufgerufen, neben dem Dank für den Reichtum an Lebensmitteln in Deutschland auch die Probleme in der Landwirtschaft weltweit nicht aus dem Auge zu verlieren. Die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika zeige schmerzhaft die möglichen Folgen eines Zusammenspiels von Dürreperioden, Misswirtschaft und Bürgerkrieg.

Autor/in:
Christoph Arens
Ein Drittel aller Lebensmittel landet weltweit im Müll  (KNA)
Ein Drittel aller Lebensmittel landet weltweit im Müll / ( KNA )

Petrus wird wohl mitspielen. Wenn am Sonntag Deutschlands vermutlich größter Erntedankumzug im ostwestfälischen Herzebrock-Clarholz bei Gütersloh startet, können die erwarteten 20.000 Gäste strahlenden Sonnenschein und farbenfrohe Motiv- und Blumenwagen erwarten. Tausende Dahlienblüten und Sonnenblumen sorgen für leuchtende Farben. Seit 60 Jahren lassen die Veranstalter mit heimischen Gemüse- und Obstsorten geschmückte Wagen und Kornbilder entstehen.



Fast 2,5 Kilometer soll der Festumzug in diesem Jahr sein, verrät Franz-Josef Tegelkamp, der Vorsitzende der Clarholzer Erntedankgemeinschaft. Rund 1.000 Mitwirkende beteiligen sich. Der Umzug beginnt mit Erntedankgottesdiensten in der katholischen und evangelischen Kirche.



In Ostafrika grassiert noch immer der Hunger

Aber der Dank für die Ernte und die Bitte ums tägliche Brot, die zum Erntedankfest dazugehören, sind in diesem Jahr nicht unbeschwert. In Ostafrika grassiert derzeit der Hunger. Allein in Somalia haben vier Millionen Menschen - mehr als die Hälfte der Bevölkerung - derzeit nicht genug zu essen. Rund 750.000 Menschen sind akut vom Tod bedroht.



Gleichzeitig landet weltweit ein Drittel aller Lebensmittel im Müll, wie der Film "Frisch auf den Müll. Die globale Lebensmittelverschwendung" von Valentin Thurn eindrucksvoll belegt. In Deutschland sind es gar 40 Prozent, wie das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" errechnet hat.



Ein Drittel aller Lebensmittel landet weltweit im Müll

Das Nachsehen haben die Armen auf der Südhalbkugel. "35 Millionen Kilo Gemüse und 20 Millionen Kilo Fisch exportiert Senegal jährlich nach Europa. Und dann wird so viel davon weggeworfen", sagt Madieng Seck von der Organisation Slow Food International aus Dakar. Allein von der Nahrung, die in Europa weggeworfen wird, könnten theoretisch alle Hungernden der Erde satt werden.



Filmemacher Thurn hat die Wirklichkeit in Deutschlands Mülltonnen aufgespürt. In den Abfall-Containern der Supermärkte und den Mülltonnen vor der Haustür. Sie enthalten Massen einwandfreier Lebensmittel, nicht einmal das Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen. Für Thurn gibt es ein System der Nahrungsmittelvernichtung: In Supermärkten muss das Brot noch spät am Abend in den Regalen frisch sein. Und alles muss perfekt aussehen: Ein welkes Salatblatt, und sofort wird die Ware aussortiert.



Ein weiterer Grund für den Hunger: Wegen des Zusammenbruchs der Finanzmärkte sind Hedgefonds und Groß-Spekulanten auf die Agrarrohstoffbörsen umgestiegen und treiben die Grundnahrungsmittelpreise in astronomische Höhen. Wie der Schweizer Soziologe Jean Ziegler fordern auch das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor und der Bonner Agrarökonom Joachim von Braun eine strenge Regulierung von Spekulationen im Nahrungsmittelbereich.



Getreideanbau für Biosprit

Als Preistreiber bei Nahrungsmitteln gilt auch der Anbau von Getreide für Biosprit. Da die Landwirte immer mehr Getreide für Biodiesel und Bioethanol anbauten, verknappe sich das Angebot an Grundnahrungsmitteln, kritisieren Hilfsorganisationen wie Oxfam und Misereor.



Der Deutsche Bauernverband und die kirchlichen Landvolkverbände verweisen auch darauf, dass Investoren aus Nationen wie Indien, China, Saudi-Arabien, aber auch aus den Industrieländern, sich ebenso wie internationale Konzerne im Ankauf von großen Agrarflächen in Südamerika, Asien und Afrika Konkurrenz machen. Dieses sogenannte "Land Grabbing" bedrohe bäuerliche Landwirtschaft weltweit.



Für Deutschland sehen die Landwirte neue Chancen durch die Nutzung alternativer Energiequellen wie Wind, Sonne, Wasser und Biomasse. "Über die politischen Rahmenbedingungen muss aber die Flächenkonkurrenz zwischen nachwachsenden Rohstoffen und der Nahrungsmittelproduktion eingegrenzt und die Nachhaltigkeit auch der Bioenergie gesichert werden", so die deutschen Landwirte.