Seit mehr als einem halben Jahrhundert reisen Päpste um den Globus, und von Anfang an besuchten sie auch islamische Länder. Die Arabische Halbinsel jedoch, wo der Islam im 7. Jahrhundert entstand, war für die Männer in Weiß stets tabu. Der Besuch von Papst Franziskus in den Vereinigten Arabischen Emiraten vom 3. bis 5. Februar gilt deshalb schon jetzt als historisch. Zum ersten Mal in der Geschichte der beiden Religionen wird ein katholisches Kirchenoberhaupt in dieser Weltgegend die Messe feiern und predigen. Appelle zum interreligiösen Dialog und zur Toleranz dürften in Abu Dhabi im Mittelpunkt stehen.
Jahrhundertelang spielten diese Themen auf der Halbinsel schon deshalb keine Rolle, weil es dort gar keine Christen mehr gab. Anhänger Jesu, die nicht zum Islam übertraten, seien aus Arabien zu vertreiben, soll Mohammed laut einer Überlieferung kurz vor seinem Tod im Jahr 632 befohlen haben. Egal ob der Religionsgründer dies wirklich gesagt hat oder es ihm nachträglich in den Mund gelegt wurde – bereits in der islamischen Frühphase lebten zwischen dem Roten Meer und Persischen Golf praktisch keine Christen mehr. Anders als in anderen Teilen der islamischen Welt erhielten sie dort nicht den Status als "Schutzbefohlene", die gegen eine Sondersteuer und unter strengen Auflagen ihre Religion weiter ausüben durften.
Mohammed begegnete Christen
Ohne den Siegeszug des Islam wäre die Arabische Halbinsel vermutlich nach und nach Teil des christlichen Kosmos geworden. In Nordarabien waren große Stammesverbände im sechsten Jahrhundert bereits christianisiert und dienten dem byzantinischen Kaiser als Vasallen.
Entlang der spätantiken Handelsrouten nach Indien drang das Christentum weiter Richtung Süden vor. Mohammed selbst begegnete als Karawanenführer offenbar etlichen Christen und ließ sich von ihnen inspirieren. Davon zeugen Episoden aus teils apokryphen Evangelien im Koran. Ein christlicher Mönch soll laut islamischer Überlieferung das Prophetentum Mohammeds als erster erkannt haben.
Kein gutes Pflaster für Missionare
Auch im heutigen Abu Dhabi hatte der Jesusglaube offenbar Fuß gefasst: Auf einer Insel vor der Küste entdeckten Forscher in den 1990er Jahren die Überreste eines Klosters, das wohl bis ins 8. Jahrhundert bestanden hat. Schon im Jahr 630 hatten Boten Mohammeds die einheimischen Stämme zum Islam bekehrt. Ihr Glaubensabfall nach dem Tod des Propheten wurde militärisch unterbunden.
Danach dauerte es fast ein Jahrtausend, bis Christen wieder Einfluss auf die Geschicke der Arabischen Halbinsel gewannen. Portugiesen errichteten im 16. Jahrhundert Stützpunkte an deren Südküste. Später folgten die Briten. Doch ihnen ging es am Golf, in Jemen und Oman lediglich um "Protektorate", um den Seeweg nach Indien zu sichern. Christliche Missionierungsversuche hatten hier wie in allen Teilen der islamischen Welt wenig Aussicht auf Erfolg. Auch Londons Bündnis mit dem Emir von Mekka gegen die Türken im Ersten Weltkrieg folgte nur Machtinteressen und war weit entfernt von religiösen Absichten.
Mit den Gastarbeitern kam der Glaube zurück
Erst der Ölboom seit den 1950er Jahren veränderte das Glaubensgefüge Arabiens erheblich. Hunderttausende nichtmuslimische Gastarbeiter strömten auf die Halbinsel, vielfach philippinische Katholiken, aber auch Hindus. Allein in den Emiraten leben heute zwei Millionen Inder und eine Million Christen; damit gehört mehr als jeder zehnte Einwohner einer Kirche an. Mit etwa dreieinhalb Millionen Gläubigen stellen die Katholiken, verteilt auf zwei Apostolische Vikariate, die größte christliche Konfession auf der Halbinsel. Betreut werden sie aber gerade mal von rund 120 Priestern.
Dass Papst Franziskus nun die Vereinigten Arabischen Emirate besucht, ist kein Zufall. Das kleine Land ist seit langem religiös duldsamer als die andereren Golfstaaten. Schon 1965 entstand hier die erste katholische Kirche. Heute stehen an Abu Dhabis Küstenstraße Dutzende Gotteshäuser christlicher Konfessionen dicht an dicht - im riesigen Nachbarland Saudi-Arabien gibt es nicht eine einzige Kirche.
Glauben mit Einschränkungen
Offene Kritik am Islam und christliche Mission ist auch in den Emiraten verboten. Doch ein "Toleranzministerium" kümmert sich eigens um die Rechte der Nichtmuslime. Der Präsident der Emirate, Scheich Khalifa bin Zayed, hat 2019 als "Jahr der Toleranz" ausgerufen. Sein Bruder und De-facto-Regierungschef Kronprinz Muhammad bin Zayed wünschte am 25. Dezember allen Christen weltweit "Frieden und Glück»" zum Weihnachtsfest.
Auch der Muslim Council of Elders hat seinen Sitz in Abu Dhabi. Der Gelehrtenrat setzt sich für einen moderaten Islam ein und wird mit Franziskus Wege für ein besseres Zusammenleben der Religionen besprechen.