Als in Gifhorn die Idee entstand, dass Christen und Muslime gemeinsam einen Kindergarten betreiben könnten, waren sich die Verantwortlichen noch nicht bewusst, was sie damit auslösen würden. Medien aus der ganzen Republik interessierten sich für das Projekt, das nun an diesem Donnerstag offiziell eingeweiht wurde. Die Zwei-Religionen-Kita "Abrahams Kinder" in der 42.000-Einwohner-Stadt westlich von Wolfsburg ist bislang offenbar bundesweit einzigartig.
Eine Drei-Religionen-Kita von Christen, Juden und Muslimen wird zwar derzeit auch in Berlin-Moabit geplant, soll aber erst 2021 eröffnen. In Osnabrück gibt es bereits eine jüdisch-christliche Kita sowie eine Drei-Religionen-Schule.
Hoffnungen formuliert
Umso größer waren die Hoffnungen, die bei der Eröffnungsfeier in Gifhorn formuliert wurden: "Die Kinder werden uns selbstverständlich zeigen, wie die Religionen nicht nur nebeneinander sein und gelebt werden können, sondern wie sie miteinander sein werden", sagte der Vorstand der Dachstiftung Diakonie, Hans-Peter Daub.
Der Vorsitzende des Trägerkomitees der neuen Kita, Martin Wrasmann, sprach schon im Vorfeld von einem "Baustein für den Zusammenhalt der Gesellschaft". Er hoffe, dass das Projekt zu einem Vorbild werde.
Ob es soweit kommt, wird sich ab dem 2. August zeigen, wenn die Einrichtung mit 15 Kindern von ein bis sechs Jahren ihren Regelbetrieb aufnimmt. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits seit über einem Jahr. Damals hörte Wrasmann, Pastoralreferent der katholischen Gemeinde Sankt Altfrid, von den Plänen der deutsch-türkischen Moscheegemeinde Ditib, einen eigenen Kindergarten zu eröffnen. Sofort kam ihm die Idee: Warum nicht eine gemeinsame Einrichtung betreiben?
Bei den Muslimen stieß er gleich auf Begeisterung. Die evangelische Kirche, die ebenfalls mit ins Boot geholt werden sollte, reagierte zunächst mit Zurückhaltung. Schließlich fand sich mit der Dachstiftung Diakonie aber doch ein Träger aus ihrem Bereich. Eine jüdische Gemeinde, die man sich ebenfalls als Partner hätte vorstellen können, gibt es in Gifhorn nicht.
Gemeinsam wurde ein Trägerkomitee gegründet, dem jeweils drei Vertreter der katholischen und muslimischen Gemeinde sowie der Dachstiftung Diakonie angehören. Zudem haben je ein Delegierter der Stadt Gifhorn, der evangelischen und der kurdischen Gemeinde einen Sitz. Abraham wurde zum Namensgeber auserkoren, weil er in beiden Religionen als Urvater gilt.
Verbindende Elemente in den Alltag integrieren
Die verbindenden Elemente der beiden Religionen würden in der Einrichtung in den Alltag integriert, so Wrasmann. Die neue Kita werde aber "keine Bibel-Koran-Schule, sondern ein Ort der Achtsamkeit". Dazu gehöre auch der Plan, eine starke Elternarbeit zu etablieren, um auch unter Erwachsenen den Austausch zu fördern. Das Essen in der Einrichtung soll halal-zertifiziert sein.
Unter den jetzigen Anmeldungen ist das Verhältnis von Christen und Muslimen in etwa ausgeglichen, auch konfessionslose Kinder sind dabei. Von den vier Erzieherinnen sind zwei christlich und zwei muslimisch. Leiterin ist die Katholikin Linda Minkus. "Wir werden bestimmt auf die großen Feste aller Religionen eingehen und den Geburtstag des Propheten Mohamed ebenso feiern wie die Geburt Jesu", so ihr Plan.
Bei der Einweihung ging Landessuperintendent Dieter Rathing auch auf die Kritik an dem Konzept der Einrichtung ein, die vor allem aus rechtspopulistischen Kreisen laut geworden war. "Jedem von uns fallen wohl Zeitgenossen ein, denen es gut getan hätte, wenn sie als Kinder in der Begegnung und in der Gemeinschaft verschiedenen Glaubens groß geworden wären. Die rechtspopulistischen Kritiker dieser Zwei-Religionen-Kita hier in Gifhorn zuerst", so Rathing.
Wrasmann selbst reagierte gelassen: "Wenn unsere Kita erst einmal an den Start geht, erhoffe ich mir, dass die Kritiker ruhiger werden." Er denkt auch schon über eine Erweiterung nach: "Wir schauen bereits nach Räumlichkeiten, in denen wir in einem Jahr eine zweite oder dritte Gruppe eröffnen könnten."