"Nach etlichen Monaten nehmen wir unsere Treffen wieder auf, von Angesicht zu Angesicht, nicht von Bildschirm zu Bildschirm", begann Franziskus seine Ansprache. Das Treffen fand nicht wie sonst auf dem Petersplatz statt, sondern im Innenhof des Apostolischen Palastes.
Katechesereihe zu den Folgen der Pandemie
Vor rund 500 bis 600 Teilnehmern setzte das Kirchenoberhaupt seine Anfang August begonnene Katechesereihe zu den Folgen der Pandemie fort. Aus einer solchen Krise komme man nie unverändert wieder heraus, "nur besser oder schlechter", warnte Franziskus. Daher brauche es heute mehr denn je weltweite Solidarität.
Solidarität aber sei mehr als gelegentliche Großzügigkeit, so der Papst unter Bezugnahme auch auf seinen Vorgänger Johannes Paul II.
Vielmehr erfordere sie "eine neue Mentalität, die in Gemeinschaft denkt", in der das Leben jedes Einzelnen gleich wichtig ist. Es könne nicht sein, dass die Agenturen und Medien voll davon sind, wenn ein Börsenwert fällt, aber niemand darüber berichte, wenn Tausende vor Hunger sterben.
Papst geht mit Abstand durch Pilgerreihen
Solidarität habe viel mit Gerechtigkeit zu tun, so der Papst. Sie sei "heute der Weg zu einer Welt nach der Pandemie, zur Heilung unserer zwischenmenschlichen und sozialen Krankheiten". Das gelte auch für die Beziehung zur Schöpfung. Deshalb etwa habe der heilige Franz von Assisi nicht nur alle Menschen, sondern auch Tiere, Pflanzen und Himmelskörper "Brüder und Schwestern" genannt.
Zu Beginn der Generalaudienz war Franziskus zu Fuß durch den Mittelgang des Areals mit Sitzplätzen gegangen. Mehrfach sprach er mit einzelnen Gläubigen, wahrte aber ein bis zwei Meter Distanz. Eine libanesische Fahne, die ihm von Pilgern gereicht wurde, küsste der Papst jedoch und betete still für das krisengeschüttelte Land.
Papst erinnert an Gründung der Solidarnosc-Bewegung
In seiner Generalaudienz hat Papst Franziskus ferner an die Entstehung der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc vor 40 Jahren erinnert.
Aus der Solidarität unterdrückter Menschen seien die Gewerkschaft Solidarnosc und weitere historische politische Veränderungen in Polen und Mitteleuropa hervorgegangen, so das Kirchenoberhaupt.
Papst schickt seinen zweiten Mann in den Libanon
Zudem hat der Papst an die Explosionskatastrophe in Beirut vor einem Monat erinnert. Bei seiner Generalaudienz rief Franziskus für Freitag (4. September) zu einem Fast- und Gebetstag für den von Krisen erschütterten Libanon auf. Gleichzeitig kündigte er an, zu diesem Anlass seinen Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin, nach Beirut zu schicken.
In einer eigenen Ansprache rief das Kirchenoberhaupt Vertreter von Politik und Religion auf, ihre jeweiligen Einzelinteressen zurückzustellen und dem Land eine gemeinsame Zukunft zu geben. Dafür brauche der Libanon auch internationale Unterstützung und dürfe "nicht allein gelassen werden", so der Papst, während neben ihm ein libanesischer Priester kniete. Als Franziskus sprach, hielten er und der Priester eine libanesische Fahne.
Über Hunderte Jahre hinweg sei der Libanon "ein Ort von Hoffnung und Toleranz, Respekt und Zusammenleben" gewesen - und damit "einzigartig in der Region", betonte der Papst. Der Libanon vermittele eine Botschaft der Freiheit und ein Vorbild sowohl für den Orient wie das Abendland. Es sei im Interesse der Region wie der ganzen Welt, dieses Erbe nicht zu verlieren.
Die Menschen in Beirut forderte der Papst auf, im Land zu bleiben und neu zu beginnen. Bischöfe und Seelsorger sollten sich intensiv um ihre Gläubigen kümmern und sie mit Eifer und Bescheidenheit begleiten. So könne die christliche Präsenz im Land, die für den Nahen Osten so wichtig sei, aufrechterhalten werden, mahnte Franziskus. Abschließend bat er die Anwesenden, sich zu einem stillen Gebet für den Libanon zu erheben.