Als "Missionsbischof für Deutschland" sei er von Gott gerade in dem Moment als Retter gesandt worden, als die Bischöfe Preußens "den Staatsgesetzen den Gehorsam versagen" und zur neuen vatikanischen Kirche abgefallen seien. Schon in wenigen Jahren werde die durch die vatikanischen Bischöfe zugrunde gerichtete katholische Kirche keine Priester mehr haben und ihre Gemeinden ohne Seelsorger dastehen. Dann werde man solche von Bischof Reinkens erbitten müssen.
Ob Joseph Hubert Reinkens diesen Triumphalismus der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" 1873 bei seiner Weihe zum ersten Bischof der "Altkatholischen Kirche" in Deutschland teilte, ist nicht überliefert. Doch allemal trat er damals an, um der Kirche des Ersten Vatikanischen Konzils mit ihren Papsdogmen die Zähne zu zeigen. Vor 200 Jahren, am 1. März 1821, wurde Reinkens geboren.
Protest gegen Papst
Der Entscheidung des Konzils zugunsten der Unfehlbarkeit und obersten Lehrgewalt des Papstes folgte ein Exodus vieler katholischer Intellektueller. Aus der Protesthaltung, der Papst sei an die Stelle der Kirche getreten, verweigerten sich viele Gläubige, Priester und auch Theologieprofessoren. Einer von ihnen war Joseph Hubert Reinkens.
Er stammte aus einer armen und strenggläubigen, von schweren Schicksalsschlägen heimgesuchten Familie in Burtscheid bei Aachen. Der junge Mann musste sich den Weg zum Theologie- und Philosophiestudium schwer erkämpfen, wurde im Revolutionsjahr 1848 in Köln katholischer Priester und 1857 ordentlicher Theologieprofessor in Breslau.
Unfehlbarkeitsdogma
Wie viele seiner Kollegen folgte er dem Widerstand des Münchner Kirchenhistorikers Ignaz von Döllinger (1799-1890) gegen das Unfehlbarkeitsdogma, das er als Bruch mit alten Glaubensüberlieferungen sah. Er verfasste mehrere Schriften gegen die Konzilsbeschlüsse, musste Untersuchungsverfahren über sich ergehen lassen, doch er unterwarf sich nicht. Im Gegenteil: Die Dissidenten schlossen sich noch enger zusammen.
Tatsächlich agierten sie in der trügerischen Illusion, sie hätten weite Teile des katholischen Kirchenvolks hinter sich; und im Berlin des aufziehenden Kulturkampfes und in anderen Landesregierungen war man nur zu gern geneigt, diese Vorstellung zu teilen. Es schien an der Zeit, sich zu organisieren.
Kongress der Altkatholiken
In München fand im September 1871 der erste Kongress der Altkatholiken statt. Und während Döllinger - radikaler Wortführer gegen die Dogmatisierung, aber immer noch mit ganzem Herzen katholischer Priester - warnte, man dürfe nicht "Altar gegen Altar" stellen, wurden seine Worte von Hochgefühl und Siegeszuversicht übertönt. Hier und beim Kölner Folgekongress 1872 wurde beschlossen, wo immer möglich eine eigene Seelsorge aufzubauen und staatlich absegnen zu lassen.
Erster Höhepunkt war die Bischofswahl des Breslauer Professors Reinkens am 4. Juni 1873 in der Kölner Kirche Sankt Pantaleon. Die Weihe nahm am 11. August in Rotterdam der niederländisch-altkatholische Bischof Hermann Heykamp von Deventer vor. Papst Pius IX. exkommunizierte Reinkens umgehend und bezeichnete ihn als den "elendsten Sohn des Verderbens".
Sitz in Bonn
Bischofs- und Hauptsitz der deutschen Altkatholiken wurde Bonn - und ist es bis heute. Der Grund dieser Wahl: Mit nur einer Ausnahme hatten die Bonner katholischen Theologieprofessoren die Papstdogmen abgelehnt. Mit einer Übernahme der Fakultät hoffte man, hier den künftigen Priester- und Theologennachwuchs heranziehen zu können. Eine Zeitlang rangen beide Seiten, der Kölner Erzbischof und der altkatholische Bischof in Bonn, heftig um den Zuschlag durch die preußischen Behörden.
Noch einmal die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" von 1873: "Wenn endlich ... alle religiösen Fanatiker ... und vaterlandsfeindlichen Römlinge verdrängt und durch deutsche Priester ersetzt sind, dann werden unsere Kinder und Enkel ihren evangelischen Brüdern die Hand zum Bruderbunde, zur deutschen Kirche ohne Dogmenzwang und Formelkram reichen ...".
Nur Anfangserfolge
Doch so ist es nicht gekommen. Am Ende seines Lebens musste Reinkens erleben und eingestehen, dass der Altkatholizismus über Anfangserfolge nicht hinauskam. Das Papsttum dagegen ging - trotz des gleichzeitigen Verlusts seiner weltlichen Macht an den neuen Staat Italien - gestärkt aus dem Konzil hervor. Rom und der Papst wurden in der Folge immer mehr zum zentralistischen Ankerpunkt der Weltkirche. Und in Bonn mussten nach dem Kulturkampf gleich zwei riesige Wohnheime für angehende Kölner katholische Priester gebaut werden: das Collegium Albertinum (1892) und das Collegium Leoninum (1903), benannt nach Papst Leo X., dem Nachfolger von Reinkens' Erzgegner Pius.
Im Januar 1896, vor 125 Jahren, starb Reinkens kurz vor seinem 75. Geburtstag in Bonn. Er ist dort auf dem Alten Friedhof beigesetzt, ebenso wie viele aus der Professorenschaft jener Zeit. Sein Grab liegt keine 50 Meter vom Leoninum entfernt. Das Brustbild auf dem plastischen Grabmedaillon zeigt ihn in seinem Bischofsornat.