Kaum eine andere Wählergruppe in den USA hat in den vergangenen Monaten so eine große Wechselbewegung verzeichnet. Die Katholiken in den USA gelten Demoskopen als wichtiger Gradmesser für den Ausgang von Präsidentschaftswahlen. Das liegt unter anderem daran, dass sie mit sicherem Instinkt fast immer für den Sieger stimmen. Was nicht unbedingt bedeutet, dass die Ergebnisse bei den katholischen Wählern in den vergangenen Wahlen eindeutig waren. Tatsächlich fielen sie denkbar knapp aus.
Wie der Kolumnist E. J. Dionne beobachtet, gibt es keine "katholische Stimme" im Sinne eines monolithischen Wählerblocks. Dafür teilten sich die Präferenzen in der Vergangenheit zu gleichmäßig zwischen Republikanern und Demokraten auf. Mitt Romney verlor die Katholiken mit gerade mal zwei Punkten an Barack Obama.
Katholiken stellen rund ein Viertel der gesamten Wählerschaft
Aber Katholiken können Wahlen entscheiden, weil sie rund ein Viertel der gesamten Wählerschaft in den USA stellen. Eine Wählerwanderung in dieser Gruppe hat Konsequenzen für die Kandidaten, erst recht in Bundesstaaten mit hohem Katholikenanteil, die auf der Kippe stehen. Dazu gehören so wichtige Staaten wie Pennsylvania, Ohio oder Florida.
Genau eine solche Wählerbewegung machen die Demoskopen nun bei den US-Katholiken aus. Eine Umfrage nach der anderen in den vergangenen Wochen belegt, dass Trump hier zuletzt dramatisch an Unterstützung verloren hat. Den Auftakt machte eine Erhebung des renommierten Pew-Instituts, das im Frühsommer einen Umschwung zugunsten Hillary Clintons ausmachte. Unter den Katholiken dort lag sie 22 Prozentpunkte vor Trump.
Die beiden jüngsten Umfragen des Public Religion Research Institute (PRRI) und der Zeitung "Washington Post" von diesem Monat bestätigen diesen Trend. Clinton führt in der PRRI-Erhebung unter den Katholiken mit 23 Punkten vor ihrem republikanischen Rivalen. Der Vorsprung in der "Washington Post" fällt noch deutlicher aus. Hier hat die Demokratin mit 27 Prozent die Nase vorn.
Bewegung bei weißen Katholiken
Dies allein mit dem wachsenden Anteil an Latinos zu erklären, führt nach Ansicht der Experten an der Sache vorbei. Der Jesuit Thomas Reese und andere Analysten weisen darauf hin, dass die Bewegung vor allem bei weißen Katholiken sichtbar ist - die in der Vergangenheit als verlässlicher Wählerblock der Republikaner galten.
Während Romney Präsident Obama 2012 um 19 Prozent im Segment der weißen US-Katholiken schlagen konnte, liegt Clinton selbst bei dieser Gruppe nun mit 6 Prozent vorn. Unter dem Strich schiebt das gute Abschneiden bei den Katholiken die Kandidatin im Gesamtergebnis aller Wähler in der Prognose um rund 5 bis 7 Prozent nach vorn.
Die "Washington Post" bringt den Trend mit der Schlagzeile auf den Punkt: "Donald Trump hat ein massives Katholiken-Problem". Dabei beschäftigten sich die US-Medien für eine Weile vor allem mit den Stimmen der Evangelikalen. Die machen zwar auch einen großen Teil der Wählerschaft aus, wählten aber schon immer mehrheitlich republikanisch.
Der Jesuit Reese freut sich, "dass die katholischen Wähler endlich im Rampenlicht stehen". Jenseits studierter weißer Frauen sei das Pendel bei keiner andere Wählergruppe so weit ausgeschlagen. Über die Gründe für den massiven Umschwung wird einstweilen nur spekuliert. Reese erklärt sich den Stimmungswandel zum Frühjahr mit den Anfeindungen gegen Latinos. "Die weißen Katholiken haben verstanden, dass die meisten dieser Einwanderer ihre katholischen Brüder und Schwestern sind", so Reese.
Faktor Papst Franziskus?
Andere Analysten spekulieren über die Papstschelte für den Kandidaten, der an der Südgrenze zu Mexiko eine Mauer bauen will. Franziskus hatte im Februar erklärt, "eine Person, die nur darüber nachdenkt, Mauern zu bauen ... statt Brücken, ist nicht christlich".
John Gehring vom "Religious News Service" argumentiert mit der historischen Erfahrung der Katholiken, selbst früher nicht in den USA willkommen gewesen zu sein. Trumps Verunglimpfungen seien "eine Erinnerungshilfe" an die eigene Geschichte. Einig sind sich die Beobachter darin, dass die jüngste Entwicklung ein erhebliches Problem für Trump darstellt. Denn ohne ein gutes Abschneiden bei den Katholiken lassen sich in den USA nun mal kaum mehr Präsidentschaftswahlen gewinnen.
Spannung vor TV-Duell zwischen Clinton und Trump
Die ganzen Prognosen für einen Moment ausblendend, rüstet sich Long Island für das TV-Duell zwischen den Präsidentschaftskandidaten. Schwarze Vorhänge schlucken jeden Lichtstrahl. Nur die Bühne ist hell. An den Seiten erstrahlen zwei amerikanische Flaggen, in ihrer Mitte prangt ein Weißkopfseeadler. Weiße Sterne, blauer Teppich. Mehr Guckkasten als Arena. Da vorne werden sie stehen. Donald Trump auf der linken Seite, Hillary Clinton auf der rechten.
Die Anspannung ist greifbar, ein Moment wie das Knistern im Kino, bevor der Film beginnt. Es ist kühl, fast schon kalt, die Klimaanlage läuft seit Stunden, sie wird noch weiterlaufen, weil so viel technisches Gerät im Raum steht. Um die tausend Zuschauer haben Platz. Sonst wird hier, auf dem Campus der Hofstra University in Hempstead (New York), Basketball gespielt.
Proben vor dem Showdown
Noch wird geprobt. Mitarbeiter aus Trumps Team prüfen Ton und Kamerawinkel. Ihre Blicke sind ernst, die Arme verschränkt. Draußen vor der Halle ziehen Kameramänner schweres Equipment hinter sich her. Polizisten mit beigen Hüten beäugen jeden, der an ihnen vorbeigeht. Etliche Freiwillige in blauen T-Shirts wuseln durch die Gegend.
Sarah Gerwens ist eine von ihnen. Die 20-Jährige stammt eigentlich aus Dortmund, studiert aber auf Long Island. Seit Sonntagnachmittag ist sie auf den Beinen. Um die achthundert Studenten haben sich um die Helferposten beworben, nur etwa dreihundert wurden genommen. "Es ist toll, dass hier auf dem Campus Politik gemacht wird", sagt Gerwens. "Das ist eine Wahl, von der viel abhängt."
Zwei Monate hatte die Universität Zeit, sich auf das Spektakel vorzubereiten. Im Juli bekam man die Zusage. Die ursprünglichen Veranstalter hatten abgesagt, Hofstra war am Zug. Schon in den vergangenen beiden Wahlkämpfen war die Hochschule Austragungsort für Debatten. Barack Obama traf hier 2008 auf John McCain, 2012 begegnete er am selben Ort Mitt Romney.
Aber diesmal sei alles größer, sagt eine Mitarbeiterin. Clinton und Trump polarisieren. Die Achterbahnfahrt der vergangenen Wochen steuert auf ihren höchsten Punkt zu. Nach all den Umfragen, all dem Drama, all den Spekulationen kommt es zum ersten echten Schlagabtausch der Demokratin mit dem Republikaner.
Faktencheck der Kandidaten?
Am Morgen davor diskutieren beide Seiten noch darüber, ob der Moderator Lester Holt die Aussagen der Kandidaten einem Faktencheck unterziehen sollte. Trump ist dagegen. Seine Beraterin Kellyanne Conway sagt dem Sender MSNBC, es sei besorgniserregend, dass das Clinton-Lager von Moderatoren verlange, Trump zu korrigieren. Sie spricht von einer Einflussnahme auf die Medien. Clintons Wahlkampfmanager Robby Mook sagt NBC: "Wir verlangen nur von Donald Trump, dass er sich an die Fakten hält."
Der Kampf um die Deutungshoheit hat längst begonnen. Manche sprechen von der wichtigsten TV-Debatte in der Geschichte der USA. Andere vergleichen es mit den legendär gewordenen Boxkämpfen zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier.
Der Moderator Lester Holt wird Clinton die erste Frage stellen, zwei Minuten darf sie sprechen, dann ist Trump an der Reihe. Anschließend sollen beide für zehn Minuten miteinander diskutieren. Dann kommt der nächste Block. Trump wird nachgesagt, dass er die Stimmung in einem Raum sehr genau lesen kann. Wenn er merkt, dass er ein Publikum verliert, improvisiert er. Wenn ihm ein Satz besonders gut gefällt, dreht er sich einmal um die eigene Achse.
Aber auf das Publikum kann er diesmal nicht setzen. Die Zuschauer im Saal müssen schweigen, Buhen und Klatschen sind tabu. Nur die Bühne ist erhellt.