Erstmals spricht ein Papst mit Astronauten im Weltraum

Kein Alltag im All

Papst Benedikt XVI. hat der Besatzung der internationalen Raumstation ISS für ihren Einsatz zum Wohl der Menschheit gratuliert und gedankt. Bei einer Live-Schaltung am Samstagmittag wünschte er den zwölf Astronauten Erfolg bei ihrer großen Mission. Ein historisches Ereignis – mit einem glücklichen Pontifex.

Autor/in:
Agathe Lukassek
 (DR)

Dieser eine päpstliche Segenswunsch hat die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt: Nachdem sich die zwölf Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS von Papst Benedikt XVI. verabschiedet hatten, hebt einer von ihnen ab. Die Kollegen halten ihn an den Beinen fest, damit er nicht aus dem Bild schwebt, das live in den Vatikan übertragen wird. Benedikt XVI. lacht und kann seine Freude über das soeben erfolgte historische Ereignis kaum verbergen. Als erster Pontifex überhaupt war er am Samstag mit einer Besatzung im Weltall verbunden. Pünktlich um 13.11 Uhr Mitteleuropäischer Zeit steht die Leitung, über Video sieht der Papst in seiner Privatbibliothek strahlende Gesichter der elf Männer und der einen Frau, die sich ihm aus 400 Kilometer Höhe vorstellen.



"Ich bin sehr neugierig, eure Erfahrungen und Betrachtungen zu hören", sagt Benedikt XVI. und verzichtet auf eine lange Ansprache. Nach einem kurzen Grußwort, in dem er der Besatzung für ihren Einsatz zum Wohl der Menschheit dankt, stellt er fünf Fragen. Wie sie denn von ihrem Punkt "da oben" die Kriege und die Umweltproblematik sähen, welche Botschaft sie an junge Menschen hätten, ob sie sich isoliert fühlten oder ob sie während ihrer intensiven Arbeit Zeit für das Gebet fänden. Die Astronauten unterbrechen ihren Alltag und antworten dem Pontifex. Zuerst kommt der Amerikaner Mark Kelly zu Wort, dessen Frau, die Kongressabgeordnete Gabrielle Griffords, bei dem Attentat von Tuscon Anfang des Jahres schwer verletzt wurde. Um Gewalt zu verhindern, müsste die Technologie der Sonnenenergienutzung mehr gefördert werden, sagt er. Denn da unten kämpften die Menschen üblicherweise um Ressourcen und Energie, während sie auf der ISS "gewissermaßen unbegrenzte Energie" hätten.



Gespräche philosophischer oder theologischer Natur

Nach vier Fragen auf Englisch wechselt der Papst in die Alltagssprache des Vatikan und spricht Italienisch. Seit das sich auf seiner letzten Mission befindliche Space Shuttle "Endeavour" am Mittwoch an die ISS angedockt hatte, sind zwei Italiener an Bord. Roberto Vittori von der "Endeavour" brachte ein Medaillon mit, das er vom Papst bekommen hatte, sein Kollege Paolo Nespoli soll es wieder mitnehmen, wenn er in den kommenden Tagen auf die Erde zurückkehrt, und Benedikt als Andenken schenken. Als Nespolis Mutter kürzlich gestorben war, kondolierte der Vatikan. Es habe damals einen E-Mail-Austausch mit der ISS gegeben, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi. Dafür dankte der Astronaut dem Papst und sagte, dass er sich einerseits weit weg, aber auch ganz nahe gefühlt habe, weil seine Kollegen und die Gedanken vieler Menschen auf der Erde bei ihm waren. Nach der knapp 20-minütigen Schaltung, während der die ISS mehr als 8.000 Kilometer zurücklegte, habe sich der Papst sehr beeindruckt über die Antworten der Raumfahrer gezeigt, sagt Lombardi.



Dass oben im Weltall Gespräche zu solch tiefgründigen Themen geführt würden ist keine Seltenheit, bestätigt der deutsche Astronaut Thomas Reiter. Dort stehe der Physiker dem Philosophen nicht im Weg, sagte der 52-Jährige, der während der Schaltung an der Seite des Papstes stand. Aus der räumlich sehr begrenzten Station mit einem minuziös geplanten Arbeitstag habe man wahlweise den Blick auf den blauen Planeten oder auf das unendliche Universum. Da seien viele Gespräche philosophischer oder theologischer Natur. Seine zwei Aufenthalte im All hätten zwar seinen Glauben nicht verändert, aber doch so manche Einstellung relativiert, so der Protestant.



Heute hätte er gerne selbst mit dem Papst über dessen Fragen diskutiert, sagte Reiter im Anschluss an das Treffen, das er für sich persönlich und für die Raumfahrt als überwältigendes und einmaliges Erlebnis bezeichnete. Er geht davon aus, dass es noch in diesem Jahrzehnt die Chance gebe, zu beweisen, dass es Leben auf dem Mars gegeben habe oder noch gibt. Der Astronaut hätte gerne von Benedikt XVI. gerne gewusst, welche "enorme Bedeutung" die Existenz anderen Lebens für die Kirche hätte.