Erzbischof benennt Probleme bei der geplanten Papstreise

"Im Heiligen Land ist alles politisch"

An die für Mitte Mai geplante Reise von Papst Benedikt XVI. werden weitreichende politische und interreligiöse Erwartungen geknüpft. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur erinnert der griechisch-katholische Erzbischof von Akka, Elias Chacour, an die vielfältigen Probleme, vor denen der Papst bei dieser Reise stehen wird.

Autor/in:
Lutz Ring-Eifel
 (DR)

KNA: Exzellenz, Papst Benedikt XVI. hat seine Reise ins Heilige Land nun auch persönlich angekündigt. Welche Auswirkung kann eine solche Reise im besten Fall haben?
Chacour: Naja, für den Papst selbst wird es vielleicht eine reine Pilgerreise sein. Aber die Journalisten um ihn herum werden nicht mitpilgern. Und was auch immer er sagt und tut, wird als politisches Statement interpretiert werden. In diesem Land der monotheistischen Religionen ist einfach alles immer auch politisch. Der positivste Effekt aus meiner Sicht wäre der, wenn es ihm gelänge, die Auswanderung der Christen aus dem Heiligen Land zu stoppen. Selbst in Orten wie Bethlehem, wo die Christen früher in der Mehrheit waren, stellen sie heute weniger als zehn Prozent der Bevölkerung.
In anderen Gegenden sind sie kaum noch wahrnehmbar.

KNA: Warum ist es denn überhaupt wichtig, dass Christen im Heiligen Land leben?
Chacour: Wir gehören zu diesem Land genauso wie unsere jüdischen und unsere muslimischen Brüder und Schwestern. Unser Landsmann Jesus hat vor 2000 Jahren unter uns gelebt, und wir verkünden bis heute seine Botschaft des Friedens und dass das Reich Gottes für alle Menschen offen steht. Wir werden nicht müde, das zu tun. Und dieses Land braucht uns. Wir werden von Israel, besonders von der jüdischen Regierung, vom Premierminister bis zum Staatsoberhaupt, als Stimme der Versöhnung wahrgenommen. Sie erwarten von uns, Botschafter des Dialogs zwischen den beiden Gruppen zu sein.

KNA: Von Versöhnung scheint aber die israelische Politik nach den jüngsten Wahlen weit entfernt. Wie sehen Sie das Wahlergebnis?
Chacour: Es spiegelt die Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft nach dem Libanonfeldzug und dem Gaza-Krieg. Ich sehe derzeit keine mögliche Koalition, denn Likud und Kadima haben zusammen keine Mehrheit, und mit der Nationalisten-Partei von Herrn Liebermann ist eine Zusammenarbeit nicht möglich, der Mann ist ein Rassist. Man spricht schon wieder von den nächsten Wahlen. Aber ich glaube nicht, dass sich die künftige Regierung, wie auch immer sie aussehen mag, länger als zwei Jahre halten kann.

KNA: Kommen wir zurück zur Papstreise. Welche politischen Probleme kommen da auf den Papst zu?
Chacour: Es gibt eine ganze Reihe sehr großer Probleme. Zunächst einmal ist er nicht Johannes Paul II., der mit seinem persönlichen Charisma und seiner Biographie keinerlei Angriffspunkt bot. Er machte bei seiner Reise 2000 alles richtig, es gab nicht einen einzigen Kritikpunkt. Nun kommt Benedikt XVI. Er hat nicht dieses Charisma, und er ist auch noch Deutscher, das ist nun mal ein Faktum, das eine Rolle spielt, ob man will oder nicht. Und er hat in Regensburg die Muslime vor den Kopf gestoßen. Dann ist da auch noch der 14. Mai. Wenn er an diesem Tag in Israel ist, muss er dem Staat zu seinem Gründungstag gratulieren, alles andere wäre unhöflich.
Aber damit verprellt er dann die Palästinenser, für die der 14. Mai ein Trauertag ist. Das ist ein kaum zu lösendes Dilemma. Und schließlich fragen sich alle, ob er nach Gaza reisen wird. Wie kann er nach all dem Leiden und Sterben dort nicht nach Gaza fahren? Aber andererseits würde das von Hamas wie eine faktische Anerkennung ihrer Position bejubelt. Und niemand kann in Gaza wirklich seine Sicherheit garantieren. Ein fanatischer Moslem oder ein fanatischer Jude könnte ihn töten, und dann würde man es jeweils der Gegenseite in die Schuhe zu schieben versuchen. Im Nahen Osten muss man mit allem rechnen.

KNA: Gibt es denn keinen Weg zum Frieden im Heiligen Land?
Chacour: Solange beide Seiten ihre Forderung absolut setzen, kann es keinen Frieden geben. Israel will einzig und allein Frieden und Sicherheit, und hat nach neun Kriegen doch immer nur Krieg und Bedrohung geerntet. Und die Palästinenser wollen nur Gerechtigkeit, und haben nach neun Kriegen doch immer nur neues Elend und Benachteiligung gewonnen. Erst wenn beide Seiten Frieden und Gerechtigkeit zusammen bringen, werden sie auch zusammen leben können. Andernfalls werden sie weiterhin zusammen sterben.