Erzbischof beschreibt Lage in Mossul als dramatisch

Neue Terrorwelle im Irak

Nachdem die islamistische Milizengruppe Isis die nordirakische Stadt Mossul gestürmt hat, rückt sie weiter gen Bagdad vor.  Der chaldäische Erzbischof von Mossul, Emil Shimoun Nona, bezeichnet die Lage als chaotisch.

Bewaffnete im Irak (dpa)
Bewaffnete im Irak / ( dpa )

Die meisten Christen, aber auch viele Muslime seien vor den dschihadistischen Kämpfern ins Umland geflohen, viele in den kurdisch kontrollierten Bereich, erklärte der Erzbischof dem vatikanischen Pressedienst Asianews am Mittwoch. Die Vorräte an Nahrung und Trinkwasser gingen in den kommenden Tagen zur Neige. Nona selbst hält sich nach eigener Aussage in einem Dorf seiner Diözese drei Kilometer von Mossul entfernt auf.

Nach internationalen Medienberichten sind bis zu 500.000 Menschen vor den Rebellen auf der Flucht, nachdem in der Nacht von Montag auf Dienstag Hunderte radikalislamische Bewaffnete in die Stadt eingedrungen waren. Sie werden der Rebellengruppe "Islamischer Staat im Irak und der Levante" zugerechnet.

Erzbischof: Christen im Irak brauchen dauerhafte Lösung

Als "sehr merkwürdig" bezeichnete Erzbischof Nona das Verhalten von Armee und Polizei in Mossul. Die Sicherheitskräfte hätten keinerlei Gegenwehr geleistet und ihre Posten verlassen. Nona beklagte, inzwischen gebe es keine internationalen Hilfsorganisationen mehr in der Region. Das Schicksal der Christen hänge ab von einer "ehrlichen und dauerhaften Lösung der irakischen Krise".

Die Kämpfer der Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) bewegen sich unterdessen auf die irakische Hauptstadt Bagdad zu. Die Kämpfer der Isis brachten große Teile der Regionen Ninive, Anbar und Salah ad-Din nordöstlich von Bagdad unter ihre Kontrolle, berichtete der Nachrichtensender Al-Dschasira.

Berichte: Milizen wollen Stromnetz und Raffinerie kontrollieren

Als strategisch wichtigen Ort eroberten die Extremisten Baidschi rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad, wie Medien berichteten. Dort wollten sie die Ölraffinerie und das Elektrizitätswerk unter ihre Kontrolle bringen, das auch die Hauptstadt mit Strom versorgt.

Die Aufständischen "sind über Nacht aufmarschiert und haben das Gerichtsgebäude sowie eine Polizeiwache im Stadtzentrum in Brand gesteckt", berichtete ein Sicherheitsmann in Baidschi dem unabhängigen Nachrichtenportal "Al-Sumaria News". Stammesführer hätten die Islamisten jedoch vom Elektrizitätswerk vertreiben können.

Der für Notstandsmaßnahmen zuständige Direktor bei Human Rights Watch, Peter Bouckaert, sagte, die Isis habe auf ihrem Feldzug große Waffenarsenale der irakischen Armee erbeutet. Die Waffen könne Isis nun in das Bürgerkriegsland Syrien einschleusen.

Bereits am Dienstag hatte Isis mit Mossul die zweitgrößte Stadt des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Während des Angriffs sind nach Angaben internationaler Helfer rund 500 000 Menschen der 3-Millionen-Einwohner-Stadt geflohen. Sie hätten ihre Wohnhäuser aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen verlassen, berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Mittwoch in Genf.

Kämpfer der Isis hatten die Millionenstadt nach mehrtägigen Kämpfen eingenommen. Die Regierung in Bagdad räumte den Abzug der Armee aus der nördlichen Metropole ein. Nach Angaben der IOM, die auf Informationen humanitärer Helfer vor Ort beruhen, hat es durch Kämpfe unter der Zivilbevölkerung "eine hohe Zahl von Opfern" gegeben.

Kämpfer entlassen Häftlinge

In Mossul ließ Isis rund 2400 Häftlinge aus Gefängnissen frei, übernahm die Kontrolle über die Regierungsgebäude sowie zwei TV-Stationen.

Am Donnerstag soll das irakische Parlament über die Forderung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki beraten, den Notstand zu verhängen. Damit hätte der umstrittene schiitische Regierungschef mehr Befugnisse, um in den Konflikt mit den sunnitischen Aufständischen einzugreifen. Viele Sunniten fühlen sich benachteiligt durch die schiitisch dominierte Regierung.

Die Terrorgruppe Isis macht sich diesen Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten im Irak zunutze. Die Umgebung von Mossul gehört seit langer Zeit zu den Hochburgen der Isis. Einen Rückzugsort findet sie aber auch jenseits der Grenze in den syrischen Nordprovinzen.

Die US-Außenamtssprecherin Jen Psaki appellierte an die irakischen Politiker, als Einheit gegen die "regionale Gefahr" Isis vorzugehen. Es müsse mehr für die Sicherheit des irakischen Volkes getan werden. "Und wenn ich sage, dass die Politiker vor Ort mehr leisten können, dann schließt das natürlich auch Al-Maliki mit ein."


Erzbischof Nona (KNA)
Erzbischof Nona / ( KNA )
Quelle:
KNA , dpa