Erzbischof Hans-Josef Becker

17. Dezember

Auch 2011 haben deutsche Kardinäle, Bischöfe und Weihbischöfe für domradio.de ihre Gedanken zum Advent aufgezeichnet. Sie erzählen von Geschehnissen, die ihnen in diesem Jahr besonders in Erinnerung geblieben sind, von Situationen, die die Welt bewegt haben, von Ereignissen, die noch bevorstehen und natürlich von der Vorfreude auf Weihnachten. Heute mit Erzbischof Hans-Josef Becker aus dem Erzbistum Paderborn.

 (DR)

"Wenn ich in diesen Tagen an die mit viel Aufmerksamkeit und Liebe aufgebauten Krippen denke, kommt mir der Ursprung dieser Tradition in den Sinn: Im Jahr 1223 wollte Franz von Assisi seinen Zeitgenossen die Armseligkeit der Geburt des Gottessohnes im Stall von Betlehem ganz lebendig vor Augen stellen.



In der Biografie des hl. Franziskus wird erzählt, dass daraufhin ein Mann eine Art von Vision hatte. Es heißt: "Er sah nämlich in der Krippe ein lebloses Knäblein liegen; zu diesem sah er den Heiligen Geist herzutreten und das Kind wie aus tiefem Schlaf erwecken." Dieses Bild wird so kommentiert: "Gar nicht unzutreffend ist diese Gesicht, denn der Jesusknabe war in vieler Herzen vergessen. Da wurde er in ihnen … durch seinen Diener Franziskus wieder zu neuem Leben erweckt."



Der Bericht berührt mich. Da feiert man die Geburt Jesu Christi, aber das Kind in der Krippe ist "leblos". Das Kind ist zwar geboren, doch "in vieler Herzen vergessen", erkaltet, gestorben. Gottes Sohn, geboren als Kind, doch ohne Leben.



Sehen wir uns einmal um: "Alle Jahre wieder" Weihnachtsbetrieb, aber das Kind selbst spielt keine Rolle. In vielen Familien begeht man Weihnachten als einen guten Brauch, aber der Glaube an den menschgewordenen Gott ist erkaltet: "In der Krippe ein lebloses Knäblein."

Auch ein Blick auf unsere Gesellschaft zeigt uns: Weihnachten ist mehr und mehr zu einem allgemeinen Feiertag ohne religiös-gläubigen Anspruch geworden: "In der Krippe ein lebloses Knäblein."



Es ist in der Tat so: Jesus Christus kann in unserer Gesellschaft, in unseren Familien, bei uns persönlich an Lebendigkeit verlieren, geradezu sterben. So kann für mich der Impuls, der von der Begebenheit des Franz von Assisi ausgeht, nur heißen: Verhelfen wir dem Kind zum Leben! In der christlichen Feier von Weihnachten liegt eine gewaltige Kraft gegen das Vergessen des göttlichen Kindes in den Herzen der Menschen und in unserer Welt. Franziskus ist es gelungen, den Verstand und das Gefühl der Menschen neu in Kontakt zu bringen mit dem menschgewordenen Sohn Gottes. In unseren Traditionen, aber auch in manchem neuen Zugangsweg zum Glauben, liegen große Schätze, die gehoben werden wollen. Vielleicht kann durch eine Rückbesinnung auf diese Kraftreserven dann in den Weihnachtstagen im Herzen des einen oder anderen Fragenden oder Suchenden das göttliche Kind von Betlehem neu lebendig werden.



Allen domradio-Hörerinnen und Hörern wünsche ich gesegnete Weihnachtstage und das Weggeleit Gottes im neuen Jahr 2012."