Einen Neustart Europas als gemeinsames Projekt der europäischen Völker hat der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Georges Pontier, am Montag in Paris gefordert. Angesichts des zunehmenden Einflusses des Nationalismus in vielen Ländern wachse der Zweifel am europäischen Projekt, erklärte der Erzbischof von Marseille.
"Einheit in Vielfalt"
Gerade deshalb müsse neu darum gerungen werden, was das europäische Gemeinwohl über den gemeinsamen Wohlstand hinaus ausmache. Pontier sprach zur Eröffnung einer Konsultation der katholischen Bischofskonferenzen Frankreichs, Deutschlands und der Schweiz über das "europäische Gemeinwohl".
Pontier schlug vor, die traditionellen Werte Europas wie Frieden, Menschenwürde, Subsidiarität und Rechtsstaatlichkeit zu ergänzen um einen Wert der "Einheit in Vielfalt". Eine Multipolarität ohne Dominanz mache das europäische Projekt wesentlich mit aus.
Thomas de Maizière zeigt sich skeptisch
Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) äußerte sich bei derselben Veranstaltung skeptisch zum Begriff eines europäischen Gemeinwohls. Er sagte, die Staaten Europas müssten die Unterschiedlichkeit der nationalen Einzelinteressen anerkennen. Das Gemeinwohl könne verlangen, dass bestimmte Interessen einzelner Staaten zurückstehen müssten. Solche Entscheidungen gebe es in der EU immer wieder. Auch der Beschluss über die Verteilung von Flüchtlingen in der EU im Herbst 2015 sei eine solche Mehrheitsentscheidung im EU-Ministerrat gewesen und habe heftige Gegenreaktionen ausgelöst.
Ein allgemein akzeptiertes einheitliches europäisches Gemeinwohl werde es so lange nicht geben, wie es kein "europäisches Volk" gibt, betonte der CDU-Politiker. Er zeigte sich auch skeptisch, ob Mehrheitsentscheidungen der europäischen Wähler festlegen könnten, was das Allgemeinwohl für alle Bürger Europas sein solle.