KNA: Herr Erzbischof, warum äußern Sie sich als kirchlicher Würdenträger zu den Spähprogrammen der NSA?
Ludwig Schick (Erzbischof von Bamberg): Es ist die Aufgabe der Kirche, sich um das Wohl der Gesellschaft zu kümmern. Ohne Vertrauen in den Staat kann das Gemeinwesen nicht bestehen und das Gemeinwohl nicht gedeihen. Die Verantwortungsträger müssen alles tun, dass die Bürger Vertrauen in die Politik haben. Das böse Wort "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" darf nicht unsere Gesellschaft bestimmen.
KNA: Wenn man aber die Sicherheitsdebatte der letzten Jahre verfolgt, gilt wohl genau dieser Grundsatz "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser". Was ist denn die Alternative?
Schick: Es braucht Transparenz, die offenlegt, was und wie kontrolliert wird, und die Kardinaltugend der Klugheit, die unterscheidet, wo Vorsicht angezeigt und damit Überwachung geboten ist. Im Moment haben zu viele Bürger den Eindruck, dass ohne Transparenz und die Klugheit der Unterscheidung gehandelt wird. Überwachung zur Sicherheit ja! Überwachungsstaat nein, weil das die Mitmenschlichkeit infrage stellt und das Miteinander bedroht.
KNA: Es wird immer argumentiert, es sind Terroranschläge verhindert worden. Der Innenminister spricht gar von einem "Supergrundrecht Sicherheit".
Schick: Ein Grundrecht auf Sicherheit muss es geben. Wir müssen auch dankbar sein, dass Terroranschläge durch Überwachung verhindert wurden und werden. Aber die Forderung nach Transparenz und Klugheit, um das Vertrauen in der Gesellschaft zu bewahren, ist berechtigt.
KNA: Stichwort Vertrauen - das geht ja in die Regierenden angesichts immer neuer Details über NSA & Co. verloren. Wie kann Vertrauen wiedergewonnen werden?
Schick: Durch das Offenlegen, was geschehen ist. Die Wahrheit ist immer das beste Mittel, um wieder Vertrauen zu gewinnen. Und dann braucht es klare Regeln über die Kontrollen, die offen gelegt werden müssen. Vernünftige Menschen werden sicher für Kontrollsysteme Verständnis haben, wenn sie sich im Rahmen des Rechtes und des Erforderlichen bewegen.
KNA: Inwieweit trifft die NSA-Affäre auch die Kirche - etwa seelsorgliche Gespräche am Telefon oder per Mail?
Schick: Das kann ich nicht beurteilen, denn wir wissen nicht, was alles abgehört wurde. Das Beichten im eigentlichen Sinn kann nicht betroffen sein; Beichten ist ein Geschehen von Person zu Person und nicht im Netz. Aber es werden seelsorgliche Gespräche am Telefon geführt. Diese könnten ausgespäht werden. Dagegen müsste sich die Kirche wehren, denn es gibt Gesetze, die die seelsorgliche Tätigkeit schützen.
KNA: Sind Sie auch vorsichtiger mit Mails und Telefonaten? Vielleicht werden wir gerade abgehört, immerhin unterhalten wir uns über die NSA.
Schick: Nein! Wir sagen nichts Verletzendes. Im Übrigen halte ich es mit meiner Mutter: Der Lauscher an der Wand hört seine eigne Schand. Ich habe persönlich keine Angst. Es geht mir um unsere Gesellschaft. Wenn das Vertrauen in den Staat zerstört wird, dann ist die Humanität gefährdet. Das dürfen wir nicht zulassen.
Das Gespräch führte Christian Wölfel.