Erzbischof Thissen feierte 70. Geburtstag

Kundschafter in der Diaspora

Der Hamburger katholische Erzbischof Werner Thissen hat am Mittwoch seinen 70. Geburtstag gefeiert. Bei einem Gottesdienst im Hamburger Mariendom würdigte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode Thissens Wirken. Er habe als Seelsorger, in kirchlicher Verwaltung, als Weihbischof und schließlich als Erzbischof stets hohe Verantwortung getragen. Thissens Stärke bestehe darin, dass er Herausforderungen nicht ausweiche. Dazu gehöre auch seine weltkirchlichen Aufgaben als Beauftragter der Bischofskonferenz für das Hilfswerk Misereor. Bode lobte auch Thissens Freude an humorvoller Rede, Musik, Literatur, Kunst und Fußball.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

Nach dem Gottesdienst sprachen die evangelische Hamburger Bischöfin Maria Jepsen und der schleswig-holsteinische Landtagspräsident Martin Kayenburg (CDU) Grußworte.

Thissen leitet seit Anfang 2003 das flächenmäßig größte Erzbistum Deutschlands, das neben Hamburg auch Schleswig-Holstein und Mecklenburg umfasst. Es ist neben Berlin das einzige Bistum mit westdeutschen und ostdeutschen Gemeinden. Es wurde 1995 gegründet und ist damit das bundesweit jüngste. Rund 400.000 Katholiken leben hier in 109 Gemeinden.

Zur gleichen Zeit, als Werner Thissen Erzbischof von Hamburg wurde, machte in der Hansestadt eine zutiefst religiöse Oper
Furore: «Dialogues des Carmelites - Gespräche der Karmelitinnen» von Francis Poulenc. Zwei Jahre später, zum Abschied von Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher 2005, bat die Hamburgische Staatsoper den Erzbischof, im Sonderheft seine Gedanken zu der Oper zu formulieren. Sicher eine gute Wahl. Denn für Thissen, der am Mittwoch 70 Jahre alt wird, verbindet «Musik Himmel und Erde, indem sie das Innerste im Menschen berührt».

Ein Satz, der den Erzbischof anschaulich charakterisiert. «Wir sind Kundschafter in einer Gesellschaft, die eine religiöse Grundstimmung hat», sagte er zu seinem fünfjährigen Jubiläum auf dem Hamburger Bischofsstuhl Anfang 2008. In Norddeutschland, wo Katholiken eine Minderheit sind, heißt das, stets auszuloten, was Menschen existenziell berührt. Ob der promovierte Theologe im Thalia-Theater über menschliche Abgründe spricht oder mit 200 Kindern beim Astrid-Lindgren-Fest über Pippi Langstrumpf plaudert, ob er mit Ballettintendant John Neumeier über Tanz und Liturgie parliert oder im Stadion seinen Fußball-Verstand unter Beweis stellt - Thissen scheint immer den Blick dort zu haben, wohin sich seine Schäfchen bewegen.

Für die katholische Kirche in Hamburg gewiss die richtige Art des Zugangs. Mit fast 33.000 Quadratkilometern ist das 1995 geschaffene Erzbistum zwar die flächenmäßig größte deutsche Diözese, doch gehört sie mit knapp 400.000 Katholiken klar zur Diaspora. Für Thissen mag der Übergang vom katholisch grundierten Bistum Münster, wo er Generalvikar und schließlich Weihbischof war, eine Art Kulturschock gewesen sein.

Nicht nur, weil sich die katholische Kirche in Hamburg viel mehr anstrengen muss, um gehört zu werden. Ohne die zahlreichen ökumenischen Initiativen, denen Thissen hohe Bedeutung beimisst, hätte sie es gewiss weit schwerer. Aber auch schmerzliche Einschnitte bei der Zahl der Pfarrgemeinden waren in den letzten Jahren hinzunehmen. Immerhin: Die Mitgliederzahl in der Erzdiözese hat sich sogar leicht erhöht- sicher auch Folge der Zuwanderung aus Ländern wie Polen oder Portugal. Dass sich etwa ein Drittel der Katholiken in der Hansestadt aus Menschen mit fremden Wurzeln rekrutiert, ist für den Erzbischof eindeutig eher Vor- als Nachteil in einer von vielen Kulturen und Religionen geprägten Gesellschaft.

Auf Tuchfühlung mit der Hansestadt und ihren Bewohnern geht der im niederrheinischen Kleve geborene Thissen am liebsten zu Fuß. So sieht man den Kirchenmann mitunter im unscheinbaren Parka durch Hamburgs bunte Stadtteile flanieren.

Sein sicherlich größtes «Geburtstagsgeschenk» kann der Erzbischof von seinem Küchenfenster aus bewundern: den neuen Mariendom. Mit der Sanierung und Erweiterung ist aus der schlichten Pfarrkirche eine Kathedrale geworden. Von Prunk und Größe anderer Dome weit entfernt, strahlt sie die Klarheit und Offenheit aus, die einer Bischofskirche in der Diaspora gut zu Gesicht steht.

Ein Thema führt und beschäftigt Thissen weit über Bistumsgrenzen
hinaus: Als «Misereor-Bischof» der Deutschen Bischofskonferenz wird er nicht müde, einen anderen Lebensstil der reichen zugunsten der armen Länder des Südens einzufordern - für Klimaschutz, faire Arbeitsbedingungen und Frieden. Sein Bischofsleitspruch «In cristo nova creatura - in Christus eine neue Schöpfung» bietet da viele Interpretationsmöglichkeiten.