Erzbischof Thissen kritisiert Gesetzentwurf zur Sterbehilfe

"Als Kirchen in der Pflicht"

Wie zuvor schon der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner kritisiert sein Amtskollege Werner Thissen die Pläne der Regierung zur aktiven Sterbehilfe. Der Hamburger Erzbischof warnt vor einer Legitimation durch den neuen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums.

 (DR)

Der vorgelegte Text gehe zwar das Problem der gewerbsmäßigen Förderung von Sterbehilfe an, erfasse aber nicht die Organisationen, die in Deutschland bereits Hilfe zum Suizid anbieten, da sie nicht gewinnorientiert arbeiten, schreibt Thissen in einem Beitrag für die Tageszeitung "Die Welt" (Montag). Als eingetragene Vereine, die sich etwa durch Aufnahmegebühren oder Mitgliederbeiträge finanzierten, würden sie nicht unter den Straftatbestand "gewerbsmäßig" fallen, gibt der Erzbischof zu bedenken.



"Schon jetzt werben einige damit, dass sie von dem neuen Gesetz gar nicht betroffen sind. Dann ist aber abzusehen, dass solche Organisationen sich durch den Gesetzentwurf sogar noch legitimiert fühlen", so Thissen. Ein Blick auf die Schweiz zeige, dass der verharmlosende Umgang mit Sterbehilfeorganisationen sowohl die Zahl der Selbsttötungen gesteigert als auch das Spektrum ihrer Begründungen erweitert habe. Der Gesetzentwurf berge die Gefahr, dass durch die Strafbewehrung der "gewerbsmäßigen" Hilfe zur Selbsttötung alle anderen Hilfen zur Selbsttötung immer mehr als normal angesehen würden.



Alte und kranke Menschen dürften nicht den Eindruck haben müssen, anderen zur Last zu fallen, hebt Thissen hervor. Auch in einer alternden Gesellschaft gelte die Unantastbarkeit allen menschlichen Lebens. "Je mehr die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens infrage gestellt wird, desto mehr breitet sich eine Atmosphäre von Misstrauen, Angst und Ich-Zentrierung aus."



Als Kirchen in der Pflicht

In Notsituationen sei nicht die Hilfe zur Selbsttötung erforderlich, sondern Zuwendung, Wertschätzung und Unterstützung. Hier leisteten die Palliativmedizin, die Hospizbewegung mit den zahlreichen Ehrenamtlichen sowie die Angebote der Beratungsstellen, Besuchsdienste und Freiwilligenzentren unverzichtbare Dienste, betont der Erzbischof.



"Als Kirchen sehen wir uns hier auch weiterhin in die Pflicht genommen. Es braucht große Wachsamkeit, damit unser Menschenbild nicht immer mehr von Machbarkeit und Nützlichkeit geprägt wird", so Thissen. "Wir sind gut beraten, alles zu tun, damit sich eine Kultur des Lebens bis zuletzt entfalten kann. Der Gesetzentwurf ist dazu kein geeignetes Mittel."