Die Polizeikräfte seien machtlos gegenüber den bewaffneten Banden, die sich zu einer "organisierten Armee" entwickelt hätten, sagte Erzbischof Max Leroy Mesidor laut Nachrichtenportal "Vatican News" dem internationalen Hilfswerk "Kirche in Not" (ACN). In einigen Regionen hätten sich bewaffnete Bürgerwehren gebildet, um die Banden zu bekämpfen. "Es besteht die Gefahr, dass im Land ein Bürgerkrieg ausbricht. Es sind viele Waffen im Umlauf", warnte der Erzbischof des Hauptstadtbistums Port-au-Prince.
Gewalt und Straßenblockaden
Insbesondere in der Hauptstadt sei "kein Ort wirklich sicher", so Mesidor. Die Kirche sei eines der Hauptziele der Bandengewalt und der weit verbreiteten Entführungen. Diese seien zu einer "Diktatur" geworden, die "das haitianische Volk erstickt". Es sei dabei egal, ob jemand arm oder reich ist: "Jeder kann entführt werden."
Die Gewalt beeinträchtige auch die pastorale Arbeit von Priestern und Ordensleuten in Haiti stark, so der Erzbischof. Alle lebten in ständiger Angst und einige Pfarren mussten geschlossen mussten. "Ich selbst kann zwei Drittel meiner Diözese nicht besuchen, weil die Straßen blockiert sind", sagte Mesidor.
Katastrophale Lage
Dass die Lage in Haiti insbesondere für Frauen und Mädchen immer katastrophaler werde, berichtete zuletzt auch ein Mediziner von "Ärzte ohne Grenzen". Frauen und Mädchen würden in dem bewaffneten Bandenkrieg zunehmend Opfer sexualisierter Gewalt. "Ihnen droht Vergewaltigung, wenn sie nur auf die Straße gehen", sagte der Arzt Tankred Stöbe in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Die Menschen hätten praktisch keine Möglichkeit mehr, sich frei zu bewegen, weil sie überall von Gewalt bedroht seien. Rund 80 Prozent der Hauptstadt sei laut Schätzungen in der Gewalt bewaffneter Banden. Es herrsche Anarchie; Patienten und Mitarbeitende berichteten, dass sie Angst hätten, auf die Straße zu gehen.