Erzbischof warnt vor Relativierung von Wahrheit

Behauptungen statt Fakten

Angesichts zunehmender populistischer Parolen in der Politik hat der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker vor einer Relativierung des Begriffs Wahrheit in der Gesellschaft gewarnt.

Erzbischof Hans-Josef Becker (DR)
Erzbischof Hans-Josef Becker / ( DR )

Glaubwürdig schienen zunehmend diejenigen zu sein, "die schnelle und einfache Lösungen versprechen, die ihre Gegner am unverschämtesten attackieren und gezielt und berechnend die Grenzen des guten Geschmacks und Anstands überschreiten", so der Erzbischof in einer Rede am Donnerstagabend vor Journalisten in Paderborn. Das lasse Befürchtungen wachsen für die anstehenden Wahlkämpfe, etwa in Nordrhein-Westfalen. Da Becker erkrankt war, wurde die von Generalvikar Alfons Hardt verlesen.

Der Erzbischof forderte die Politiker auf, populistischen Strategien entschieden entgegenzutreten. "In der komplexen weltpolitischen Lage der Gegenwart brauchen wir Politiker, die den Mut zu differenzierten Antworten und Strategien haben."

Gezielte Falschmeldungen im Internet

Immer seltener werde das Bemühen, dem Gegenüber die eigene Überzeugung mit Argumenten nahezubringen, beklagte Becker. Statt Fakten dominierten Behauptungen und Ressentiments, statt Argumenten die eigenen Emotionen oder eine lautstarke Diffamierung derer, die eine andere Meinung haben. Auch das zunehmende Phänomen gezielter Falschmeldungen im Internet mache deutlich, dass Wahrheit zunehmend zu einer "gefühlten" Angelegenheit werde, so der Erzbischof.

Wie Parteien, EU, gesellschaftliche Institutionen und Medien sehe sich die Kirche mit einer "massiven Infragestellung" ihrer Glaubwürdigkeit konfrontiert, erläuterte Becker. Als eine Orientierungsinstanz sei ihr gleichsam vorgeschrieben, nach außen hin immer eindeutig und einmütig zu scheinen. Andererseits mache der Trend zur Pluralisierung und Individualisierung auch vor ihr nicht halt.

Vielzahl von Meinungen unter dem Dach der Kirche

"Unter dem Dach der Kirche gibt es heute eine Vielzahl von Meinungen und Einstellungen, die sich manchmal auch gegenseitig widersprechen", sagte Becker. Aber auch das werde die Kirche glaubwürdiger machen als ein Auftreten in geschlossenen Linien. "Wir haben in diesen turbulenten Zeiten auch nicht immer sofort die eine richtige Antwort auf alle Fragen parat", sagte der Erzbischof. "Auch wir diskutieren und streiten über den besten Weg in die Zukunft."

Becker äußerte sich beim traditionellen Medienempfang der Erzdiözese Paderborn in Erinnerung an den Journalisten-Patron Franz von Sales (1567-1622). Die katholische Kirche begeht seinen Festtag am 24. Januar.


Quelle:
KNA