Namen nannte Erzbischof Blase Cupich nicht, als er "Feindschaft und Feindseligkeit" im politischen Diskurs der USA beklagte. "Unsere Nation scheint den Sinn dafür verloren zu haben, wie wichtig es ist, Freundschaft zwischen den Bürgern zu kultivieren, die gleich sind und viel gemeinsam haben", sagte Cupich in der Old St. Patrick's Church in Chicago. Die politischen Akteure betonten das, "was uns spaltet, statt das, was unser Gemeinwohl fördert".
Auseinandersetzungen bei Trump-Wahlkampfveranstaltung
Zeitpunkt und Ort der Predigt machten es nicht schwer zu erraten, worüber der Erzbischof sprach. Am Abend zuvor hatte der Spitzenreiter im Rennen um die republikanische Präsidentschafts-Nominierung, Donald Trump, eine Kundgebung an der University of Illinois in Chicago kurzfristig abgesagt. Als Grund nannte er die "Sicherheit der Teilnehmer".
Die Darstellung der Polizei fiel anders aus: Die Ordnungshüter erklärten, die Absage habe es schwieriger gemacht, die Veranstaltung friedlich zu beenden. Trotz der erheblichen Aggressionen zwischen Trump-Anhängern und Gegendemonstranten kam es in Chicago aber nur zwei Festnahmen. Bei Auseinandersetzungen in St. Louis (Missouri) waren zuvor 32 Menschen in Gewahrsam genommen worden. Insgesamt kam es seit vergangenem Sommer bei mindestens zwölf Trump-Kundgebungen zu Übergriffen.
Kaum deutliche Worte aus der katholischen Kirche
Erzbischof Cupich dürften auch die Bilder aus Fayetteville in North Carolina präsent gewesen sein. Dort hatte ein Trump-Anhänger einem politischen Gegner am Donnerstag mit der Faust ins Gesicht geschlagen. "Weil wir es nicht schätzen, gemeinsam zu wachsen, breitet sich ein Krebsgeschwür aus, das uns alle bedroht", warnte der Geistliche. "Die Positionen verhärten sich, der Fortschritt stockt und es wird deutlich, dass die Gesellschaft die Grenzen des Erträglichen erreicht."
Deutliche Worte, die von anderen Kirchenführern in den USA bisher kaum zu hören waren - vor allem innerhalb der katholischen Kirche. Deren Hirten suchen ihre politischen Verbündeten seit Jahrzehnten im Lager der Republikaner.
"Merkwürdige Allianz" aus konservativen Republikanern und Bischöfen
Experten wie Massimo Faggioli, Direktor des "Institute for Catholicism and Citizenship" an der University of St. Thomas in Minnesota, sprechen von Papst Franziskus' "amerikanischem Problem". Ein Teil davon sei "die Botschaft des Papstes", erklärte Faggioli unlängst in der "Huffington Post". Während Franziskus die Barmherzigkeit, die Bewahrung der Schöpfung und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund rücke, sorgten sich viele US-Bischöfe mehr um alte Kulturkämpfe.
Nach Faggiolis Ansicht hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten eine "merkwürdige Allianz" aus konservativen Republikanern und Bischöfen gebildet. In dieser fehle es nun an Glaubwürdigkeit, um Trump zu bremsen - der Folter gegen Terroristen erlauben, Mauern bauen und elf Millionen illegal Eingewanderte ausweisen will. "Trump präsentiert dem Land und der amerikanischen katholischen Kirche die Rechnung dafür, moralisch und intellektuell abgewirtschaftet zu haben", schreibt Faggioli.
Anziehungskraft von Trump auf US-Katholiken
Vor Erzbischof Cupich hatte sich allerdings schon der Bischof von San Diego, Robert McElroy, in einem Artikel für das Jesuitenmagazin "America" zu den grundlegenden Werten eines echten Gewissenssiegels für katholische Wähler geäußert. Doch weder die Kritik des Papstes an Trump noch seine wenig christlichen Ideen noch der Lebenswandel des zum dritten Mal verheirateten Milliardärs ändern bislang etwas an der Anziehungskraft des Kandidaten auf die US-Katholiken.
Laut Umfragen in den Bundesstaaten Michigan und Massachusetts, die beide größere katholische Wählergruppen haben, setzte sich Trump bei den Vorwahlen unter weißen Gläubigen deutlich durch. Der Trend könnte sich nun in Illinois, Ohio und Florida wiederholen - und dazu beitragen, Trump die Nominierung zu sichern. Erzbischof Cupich warnt: Das Land solle besser "das Gemeinwohl suchen", statt einige zu bevorzugen und andere auszuschließen.