Erzbischof Woelki: Globalisierung der Nächstenliebe

Der Mensch hinter der Statistik

Das Erzbistum Köln setzt am Freitag ein Zeichen für Flüchtlinge. 23 000 Glockenschläge ertönen für die im Mittelmeer Verstorbenen. Der Kölner Erzbischof Woelki lädt dazu ein, Geflohene wie Saddam Hairiri willkommen zu heißen.

Erzbischof Woelki vor dem Pitter im Kölner Dom / © Robert Boecker (Kirchenzeitung Koeln)

Im Erzbistum Köln sollen am Freitag 23 000 Glockenschläge an die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge erinnern. "Wir laufen Gefahr, diese Menschen zu vergessen", sagte Erzbischof Rainer Maria Woelki am Montag in Köln. Die Aktion ist als Toten- und Mahngeläut gedacht. An dem Geläut sollen insgesamt 230 Kirchen zwischen Bonn, Düsseldorf und Wuppertal teilnehmen. In Köln wird dabei die größte schwingende Glocke der Welt, der "decke Pitter", 100 Schläge abgeben. Die 24 Tonnen schwere Glocke ist nur zu seltenen Anlässen zu hören. Die Solidaritätsaktion findet am Vorabend des Welttags der Flüchtlinge statt.

"23.000 Glockenschläge sollen erklingen für diejenigen, die seit dem Jahr 2 000 im Mittelmeer auf der Flucht nach Europa ertrunken sind", sagte Erzbischof Woelki. "Hinter jedem Schlag ist ein Kind, eine Mutter, ein Vater, Großeltern", führte er aus. Das Schicksal der Flüchtlinge sei eine der großen humanitären Katastrophen dieser Zeit. Die Kirchen sollten sich dazu klar äußern und sich für eine "Globalisierung der Nächstenliebe“ einsetzen.

Solidaritätsabend vor dem Kölner Dom

Am Abend des 19. Juni soll auf dem Roncalliplatz am Kölner Dom ein Solidaritätsabend für Flüchtlinge stattfinden. domradio.de überträgt die ökumenische Gedenkfeier live ab 19.30 Uhr im Internet. Daran sind auch der Vizepräses der evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, und der Metropolit der orthodoxen Kirche von Antiochien, Isaak Barakat, beteiligt. Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann (Grüne), werde erwartet.

Auf der Bühne werden Menschen ihre Geschichte der Flucht erzählen und es wird eine Podiumsdiskussion geben, an der sich Rupert Neudeck, Mitgründer des Cap Anamur sowie der Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon beteiligen. Auf dem Roncalliplatz gibt es außerdem Informationen zur aktuellen Flüchtlingssituation. Bei Live-Musik und einem internationalen Buffet stellen kirchliche Hilfswerke ihre Arbeit vor. Mit dem Erlös des Abends wird die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer unterstützt.

Blick auf Überlebende

Erzbischof Woelki mahnt außerdem eine solidarische Einwanderungspolitik in Deutschland und in Europa an. Es müsse legale Wege zur Einwanderung geben. Flüchtlinge müssten im Geiste der christlich-jüdischen Tradition aufgenommen werden. Migranten seien eine Chance für Europa, das angesichts der demografischen Entwicklung vor schwierigen Zeiten stehe.

Der Erzbischof hatte im vergangenen November die Aktion "Neue Nachbarn" ins Leben gerufen. Ziel der Aktion ist es, die Willkommenskultur für Flüchtlinge im Erzbistum Köln zu fördern.

In Freiheit neben Wuppertaler Schwebebahn

Der 26-jährige Saddam Hairiri steht in diesen Tagen bei "Neue Nachbarn" im Mittelpunkt. Er ist 2011 mit seinen Eltern und sechs Geschwistern aus Syrien geflohen. Sie konnten die ständige Angst und Todesbedrohung nicht mehr ertragen, erzählt Hariri dem Online-Portal von "Neue Nachbarn". Seiner Familie blieb die gefährliche Reise übers Mittelmeer erspart. Die Familie schläft zwei Wochen im Freien, dann gelingt ihr mit Hilfe von Erpressungsgeld die Flucht in den Libanon und mit viel Glück gelangen sie zwei Jahre später nach Deutschland.

Saddam Hairiri ist dankbar für die damalige Unterkunft in einem Flüchtlingswohnheim bei Hannover, auch wenn er sich oft unerwünscht fühlt. Dabei hätte seine Familie damals Unterstützung gebraucht, vorallem beim Deutschlernen. "Sie haben viele schlimme Sache gesagt wegen Ausländer. Aber wir haben das nicht verstanden", erinnert er sich.

Heute lebt Saddam Hairiri in einer kleinen Wohnung in Wuppertal direkt neben der Strecke der Schwebebahn. Sein Deutsch hat deutliche Fortschritte gemacht, beim Fußballspielen hat er Freunde gefunden, nun hofft er auf einen Job. Seine Eltern wollen eines Tages nach Syrien zurück. Saddam Hairiri würde am liebsten in beiden Ländern leben: "Hier in Deutschland arbeiten. Aber Syria ganz oft besuchen."


Saddam Hairiri / © Aktion Neue Nachbarn
Saddam Hairiri / © Aktion Neue Nachbarn
Quelle:
DR , Caritas , epd , KNA