Erzbischof Zollitsch zu den Ergebnissen von Hannover

"Wir dürfen uns nicht zurückziehen"

Mehr als 300 Männer und Frauen haben sich am Wochenende in Hannover mit der Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland befasst. Beim zweiten Treffen innerhalb des mehrjährigen Dialogprozesses stand die "Verantwortung in der freien Gesellschaft" auf dem Programm. Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, zieht im Interview Bilanz.

 (DR)

KNA: Erzbischof Zollitsch, nach Mannheim 2011 jetzt Hannover 2012: Haben Sie Fortschritte im Dialogprozess erlebt?

Zollitsch: Ganz sicher! Mannheim hat bereits einiges in Bewegung gebracht, und seitdem haben wir diese neu entdeckte Gesprächskultur weiterentwickelt und an vielen Themen intensiv gearbeitet. Jetzt in Hannover war es uns wichtig, den Blick stärker nach außen zu richten, in die Gesellschaft hinein. Und das ist in sehr vielen Gesprächsrunden gut gelungen. Das zeigen auch die Selbstverpflichtungen am Schluss. Da finden wir viele Punkte, in denen es sehr konkret um den Dienst am Menschen geht, etwa um Alte, Arme, Kranke und Behinderte. Oder um die Würde des Menschen, um den Schutz des Lebens, um Gerechtigkeit, Ökologie oder um die Frage, wie wir leben können, ohne den Menschen im Süden und künftigen Generationen immer größere Lasten aufzubürden.



KNA: In den Gesprächen ging es oft sehr emotional zu. War das eine fruchtbare oder eher eine furchtbare Ungeduld?

Zollitsch: Ich werte das vor allem als Zeichen des großen Engagements. Die Themen bewegen die Menschen und lassen sie nicht kalt. Viele sind auch persönlich betroffen und kennen Betroffene. Dass es da lebhaft zugeht, zeigt auch ein gewisses Feuer, das in den Menschen brennt, was ja nicht das Schlechteste ist. Ungeduld ist da ganz normal, aber wir müssen auch vermitteln, dass in manchen Fragen Geduld und ein langer Atem eher zum Ziel führen.



KNA: Auch wenn der Blick mehr nach außen gehen sollte, spielten innerkirchliche Themen wie der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen doch wieder eine große Rolle - gerade auch in der öffentlichen Wahrnehmung...

Zollitsch: Damit haben wir gerechnet. Deshalb hat Bischof Bode das auch direkt zu Beginn angesprochen. Wir haben das Thema schon intensiv in der Bischofskonferenz beraten, und werden das auch weiter tun.



KNA: In Ihrer Selbstverpflichtung kündigen sie neue Schritte an. Was wird sich da tun?

Zollitsch: Da geht es um Fragen, wie wir den Menschen deutlicher machen, dass Sie zu uns gehören - angefangen bei speziellen Seelsorgeangeboten über Möglichkeiten des ehrenamtlichen Engagements und zum kirchlichen Arbeitsrecht. All das wollen wir anpacken, um ein Stück nach vorne zu kommen.



KNA: Auch von einem "Frauenförderplan" war die Rede.

Zollitsch: Die Rolle der Frauen in der Kirche wird demnächst Thema eines ganzen Studientags im Frühjahr sein. Wir wollen mehr Frauen in

Führungs- und andere verantwortlichen Positionen. Das gibt es ja in einigen Bistümern schon. Dazu gehört aber auch, dass wir gezielt Frauen fortbilden und fördern für diese Aufgaben.



KNA: Sie haben die Impulse in die Gesellschaft angesprochen. Wie sollten Politik und Gesellschaft in den nächsten Wochen spüren, dass sich hier in Hannover was getan hat?

Zollitsch: Ich wünsche mir zum einen, dass man hier nicht nur uns Bischöfe im Blick hat. Konkret wird es doch vor allem in den Verbänden und auch in den Gemeinden direkt vor Ort. In Bereichen wie Erziehung und Bildung etwa und im sozialen Engagement sollten die Impulse aus Hannover ankommen. Damit jeder merkt: Wir dürfen uns nicht aus der Gesellschaft zurückziehen, sondern müssen aktiv bleiben, um die Gesellschaft mit zu gestalten. Wenn das mit neuem Schwung rüberkommt, haben wir schon Einiges gewonnen.



Das Interview führte Gottfried Bohl.