In Hamburg ist man stolz darauf, ein bundesweit einmaliges Modell des Religionsunterrichts entwickelt zu haben. Am "Religionsunterricht für alle (Rufa)" sind Aleviten, evangelische Christen, Muslime und Juden gleichberechtigt beteiligt - und künftig auch die katholische Kirche. Das Erzbistum Hamburg hat den Beitritt bei der Stadt Hamburg und den bereits beteiligten Religionsgemeinschaften beantragt, wie Erzbischof Stefan Heße am Donnerstag bekanntgab. Diese haben bereits ihre Zustimmung signalisiert; damit ist der Beitritt beschlossene Sache.
Während in anderen Bundesländern der Religionsunterricht nach Religionen und Konfessionen getrennt erteilt wird, werden die Schüler in Hamburg bereits seit Jahrzehnten im "Rufa" gemeinsam unterrichtet. Die Inhalte wurden im protestantisch geprägten Hamburg viele Jahre allein von der evangelischen Kirche bestimmt. 2019 wurde das Modell zu einem "Rufa 2.0" weiterentwickelt, der seither gleichberechtigt von vier Religionen verantwortet wird. Alle Beteiligten dürfen eigene Religionslehrer entsenden.
Modellprojekt zur Prüfung
Die katholische Kirche hatte sich bislang nicht beteiligt, weil sie einen konfessionsgebundenen Unterricht bevorzugt. 2019 startete sie an ausgewählten Schulen ein Modellprojekt, um ihre Beteiligung zu prüfen.
Das Erzbistum überzeugt an dem Modell nach eigener Darstellung vor allem, dass es sich nicht um einen neutralen, religionskundlichen Unterricht handelt. Vielmehr soll der "Rufa" gemäß dem Grundgesetz "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften" erteilt werden. Das heißt, die jeweiligen Lehrer müssen der Religionsgemeinschaft angehören, die sie vertreten. Gegensätze zwischen den Religionen und Konfessionen sollen klar benannt werden. Konkret kann das so aussehen, dass sich die christlichen Schüler im Unterricht mit Jesus, die Muslime mit Mohammed und die Buddhisten mit Buddha befassen - und sich anschließend über ihre Erkenntnisse austauschen und darüber diskutieren.
Heße deutete an, dass der Beitritt des Erzbistums im Kreis der deutschen katholischen Bischöfe teils auch mit Skepsis betrachtet wird. Für ihn sei die ökumenische und interreligiöse Zusammenarbeit im Religionsunterricht jedoch "eine dem Frieden dienende Kooperation".
Mitwirkung an Inhalten
Die Beteiligung hat Auswirkungen auf die staatlichen Schulen in Hamburg und ihre rund 24.000 katholischen Schüler. Weil die Katholiken in Hamburg in der Minderheit sind, wird dort rein katholischer Religionsunterricht aktuell kaum erteilt. Die katholischen Schüler nehmen bereits weitgehend an dem interreligiösen Unterricht teil. Mit ihrer Beteiligung am "Rufa" als gleichberechtigter Partner kann die katholische Kirche künftig auch inhaltlich daran mitwirken. Das sei für das Erzbistum "ein deutliches Plus", so Heße.
Mit der Entscheidung hat das Erzbistum auch eine Lösung für die etwa 100 katholischen Religionslehrer an staatlichen Schulen gefunden. Sie sind bislang inoffiziell am "Rufa" beteiligt, brauchen aber dafür spätestens ab dem kommenden Jahr eine offizielle Beauftragung durch den Erzbischof.
Für die 20 katholischen Schulen in Trägerschaft des Erzbistums Hamburg mit ihren rund 7.000 Schülern hat die Entscheidung keine Auswirkungen. Dort wird weiterhin rein katholischer Religionsunterricht erteilt.
Unterschiedliche Konzepte der Bundesländer
Auch in anderen Bundesländern wird um die zukünftige Gestalt des Religionsunterrichts gerungen. Teils lernen katholische und evangelische Schüler bereits gemeinsam. Verantwortlich ist aber meist weiterhin entweder die eine oder die andere Konfession. Niedersachsen prüft derzeit die Einführung eines "gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterrichts". So weit wie in Hamburg geht jedoch bislang niemand.
Laut dem Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) geht von der Beteiligung der Katholiken eine bundesweite Signalwirkung aus: "Der Hamburger Weg wird von anderen Bundesländern und von anderen Religionsgemeinschaften mit großer Aufmerksamkeit beobachtet." Heße hält das Modell dagegen nicht für ohne Weiteres übertragbar. Es sei auf die gesellschaftlichen Bedingungen der Stadt Hamburg zugeschnitten und in Flächenländern organisatorisch kaum umsetzbar, betonte der Erzbischof.