DOMRADIO.DE: Was kommt auf die Kirchen zu? Kann man überhaupt abschätzen, wie groß die Herausforderung für die Kirche ist, wenn in Zukunft viele Kirchen nicht mehr im ursprünglichen Sinne genutzt werden?
Anna Pawlik (Kölner Diözesankonservatorin): So richtig abschätzen, was da auf uns zukommt, können wir natürlich noch nicht. Wir haben rund 900 Kirchen, 915 bei der letzten Zählung. Wir wissen, dass in den nächsten Jahren die finanziellen Mittel, um diese Kirchen zu erhalten, zu nutzen, deutlich zurückgehen werden. Das Kleid, was wir haben, ist ein bisschen zu groß geworden, und da müssen wir in den nächsten Jahren schauen, wie wir mit dem Gebäudebestand insgesamt umgehen. Das gilt für alle Gebäude des Erzbistums und eine herausgehobene Stellung in diesem Gebäude- und Immobilienbestand spielen natürlich die Kirchen.
DOMRADIO.DE: An wen richtet sich diese Handreichung zur Umnutzung von Sakralräumen?
Pawlik: In diesem Fall haben wir uns nur auf die Kirchen konzentriert. Es kann im Einzelfall auch für eine Kapelle zum Beispiel nützlich sein, solche Hintergrundinformationen zu bekommen.
DOMRADIO.DE: Die Gemeinden können das nutzen?
Pawlik: Es ist ganz gezielt auf die Gremien in den Kirchen hin geschrieben, also die Kirchenvorstände, die Pfarrgemeinderäte, diejenigen, die vor Ort diese Verantwortung tragen, Entscheidungen zu treffen, was in den kommenden Jahren mit den Kirchen passieren soll.
DOMRADIO.DE: Es gibt ganz verschiedene Szenarien, was mit diesen leerstehenden Kirchen passieren kann. In den Niederlanden gibt es Schwimmbäder, Kletterhallen oder Bibliotheken, die früher mal Kirchen waren. Was ist denn, wenn man die Kirche als Kirche erst mal erhalten will, obwohl sie nicht mehr ausreichend genutzt wird. Kann das auch gelingen?
Pawlik: Wir hoffen, dass das gelingen kann. In der Handreichung ist damit das Modell 1 gemeint, nämlich dass man sich neue und andere Nutzer mit reinholt, dass man trotzdem weiterhin dort Messe feiern, sich als Gemeinde versammeln, Gebete und Andachten halten kann, aber eben dieses Gebäude unter der Woche auch von anderen mit genutzt wird. Das können andere christliche Gemeinschaften sein, aber auch eine soziale Nutzungen ist möglich.
Letztlich ist so eine Kirche mit all ihren Kubikmetern und Quadratmetern eine große Chance für alle, die Räume suchen. Gleichzeitig sagen wir auch, was nicht geht, also wo jede gute Idee, vielleicht auch aus rechtlichen, finanziellen Gesichtspunkten nicht umsetzbar ist.
DOMRADIO.DE: Was ist das zum Beispiel?
Pawlik: Das wird etwa die Umnutzung durch Dritte, durch Privatpersonen sein. Das haben wir noch nicht häufig gemacht. Die Rahmenbedingungen sind uns nicht ganz klar. Da wissen wir noch nicht, was private Nutzende an eine Kirchengemeinde herantragen wollen, was sie dort machen. Im Kern geht es darum zu schauen, welche sozialen, kulturellen Mitnutzungen man in ein solches Gebäude reinbringen kann.
DOMRADIO.DE: Was ist, wenn die Gemeinde entscheidet, den sakralen Ort ganz aufzugeben?
Pawlik: Das ist das, was wir in der Handreichung als Modell 3 darlegen. Das trägt die umfangreichsten Folgen nach sich: baulich, finanziell, rechtlich. Damit geht eine Profanierung, also eine Entwidmung der Kirche einher, die diese Kirche dann dem profanen Gebrauch zurückgibt. Damit greift eine ganze Reihe von Bedingungen auf einmal, die nicht gegriffen hat, solange es sich um einen sakralen Raum handelte.
DOMRADIO.DE: In der Handreichung gibt es praktische Tipps, wie mit leeren Kirchen umzugehen ist, wenn man sie umnutzen will?
Pawlik: Es gibt auch Tipps für den Fall, wenn man eine Kirche eine Weile gar nicht nutzen möchte, weil man im Moment noch gar keine gute Idee hat. Zum Beispiel, dass man alle Lebensmittel aus der Kirche herausnimmt, dass man Putzmittel entfernt und alles das, was man tut, wenn dieses Gebäude nicht genutzt wird.
DOMRADIO.DE: Besonders für ältere Gläubige ist es sicherlich schmerzhaft, wenn nicht mehr in ihre Heimatkirche reingehen können, wenn sie dort getauft worden sind, zur Kommunion gegangen sind und so weiter.
Pawlik: Deshalb ist für uns die Abgabe einer Kirche und die Rückführung in die profane Nutzung absolut die Ultima Ratio. Im besten Falle hat man Modell 1 und Modell 2 durchgespielt, bevor es überhaupt zu Modell 3 kommt.
Aus diesem Grund widmen wir der Kommunikation in solchen Fällen ein ganz eigenes Kapitel, weil es ganz wichtig ist, die Gläubigen, die Gemeindemitglieder, aber auch die Ortsgemeinde, also die Menschen, die vielleicht gar keinen Kirchenbezug mehr haben, die aber neben dieser Kirche wohnen, mitzunehmen. Die Leute werden es merken. Und da behutsam und sensibel mit umzugehen, das ist uns ein ganz großes Anliegen.
DOMRADIO.DE: Sollte es doch mal der Fall sein, dass eine Kirche abgerissen wird, was kann man denn da tun, um eine Erinnerung an diese Kirche aufrecht zu erhalten?
Pawlik: Das hat für uns eine große Bedeutung in dieser Handreichung, dass man wenn eine Kirche niedergelegt werden muss, zum Beispiel den Grundstein eigens draußen würdigt. Der Vorschlag ist, dass man einen Erinnerungsort schafft, dass es vielleicht gelingen kann, dass der Turm nicht zur Gänze abgetragen wird, sondern eine Wegekapelle am Rand entstehen kann und wir eine Erinnerung daran haben, dass es an diesem Ort eine Kirche gab, in der Menschen getauft wurden, sich verheiratet und die Sakramente empfangen haben. Und dass dieser Ort wichtig war im Leben von diesen Menschen.
Das Interview führte Dagmar Peters.