Erzbistum Köln setzt auf kirchenmusikalische Vielfalt

Mit "Pattern" neue Klänge entdecken

Von der Kollektivimprovisation bis hin zu neuen Gottesdienstformen: Ein besonderer Kirchenmusik-Tag des Erzbistums Köln will die Möglichkeiten von Holz- und Blechblasinstrumenten ausloten. Höhepunkt ist eine Messe im Altenberger Dom.

Kirchenmusik kann auch aus Blechblas- oder Holzblasmusik bestehen  / © Bernhard Blitsch (privat)
Kirchenmusik kann auch aus Blechblas- oder Holzblasmusik bestehen / © Bernhard Blitsch ( privat )

DOMRADIO.DE: An diesem Samstag findet ein Diözesantag für Holz- und Blechbläser im Altenberger Dom mit der musikalischen Gestaltung der Vorabendmesse um 18 Uhr statt. Für wen genau ist der Tag gedacht? 

Bernhard Blitsch (privat)
Bernhard Blitsch / ( privat )

Bernhard Blitsch (Regionalkantor Rhein-Sieg-Kreis und Beauftragter für Instrumentalmusik im Erzbistum Köln sowie Mitherausgeber des Bläserbuches zum neuen Gotteslob und verantwortlicher Herausgeber des Bläserbuches zum Kölner Eigenteil): Das ist zum einen für die Ensembles gedacht, die in der Kirche organisiert sind. Es gibt zum Beispiel einige Blasorchester. Aber genauso eingeladen sind auch diejenigen, die in besonderen Kombinationen in der Kirche Musik machen, also zum Beispiel Orgel plus Trompete, Orgel plus Flöte, Orgel plus Saxofon oder so ähnlich. Da gibt es auch einige, die dort aktiv sind. Von diesen Leuten sind auch einige dann bei diesem Tag dabei. 

Altenberger Dom / © Johannes Ziegler Photo (shutterstock)
Altenberger Dom / © Johannes Ziegler Photo ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Es haben sich rund 40 Musikerinnen und Musiker für diesen Tag angemeldet. Warum wollen die mitmachen? 

Blitsch: Das ist zum einen das Erlebnis, in einer größeren Gruppe gemeinsam zu musizieren. Sicher eine Rolle spielt auch der besondere Raum des Altenberger Domes. Deshalb habe ich den Raum auch gewählt und bin sehr froh, dass ich vor Ort durch meinem Kollegen Rolf Müller, dem dortigen Kirchenmusiker, Unterstützung erhalte. Der wird auch mit dabei sein. 

DOMRADIO.DE: Wenn man an Holz- und Blechbläser denkt, dann fällt einem vielleicht klassischerweise die Fronleichnamsprozession ein, wo vor allem die Blechbläser mitlaufen und die Teilnehmer im Gesang unterstützen. Aber Sie wollen auch ausloten, welche Möglichkeiten die Liturgie jenseits dieser klassischen Fronleichnamsprozession bietet. Was kann denn dafür ein Beispiel sein?

Blitsch: Das klassische Bild, das Sie geschildert haben, ist vollkommen richtig, also die Fronleichnamsprozession mit Bläsern. 

Wir möchten zum einen natürlich die Gemeinde begleiten, so wie es allgemein vorgesehen ist. Wir möchten aber ein paar Dinge ausprobieren. Zum einen eine Kollektivimprovisation zum Halleluja-Ruf. Es gibt im Gotteslob den Ruf mit der Nummer 175,2, der pentatonisch ist.

Das ist das, was man auf dem Klavier auf den schwarzen Tasten spielt. Das bedeutet, dass es dabei nicht so "krasse" Dissonanzen gibt. Solche pentatonische Formen gibt es zum Beispiel auch beim französischen Komponisten Claude Debussy und so weiter. 

Bernhard Blitsch

"Da wird gerade in dem Raum des Altenberger Domes eine Art Klangwolke entstehen und ich bin sehr gespannt, wie sich das dann anhört."

Ich habe dazu eine Reihe von Patterns zusammengestellt, also kurze Abschnitte, die die Musikerinnen und Musiker dann in beliebiger Reihenfolge spielen können, die alle in irgendeiner Form zueinander passen. 

Da wird gerade in dem Raum des Altenberger Domes eine Art Klangwolke entstehen und ich bin sehr gespannt, wie sich das dann anhört. 

Im Altenberger Dom  / © Erika Rebmann (KNA)
Im Altenberger Dom / © Erika Rebmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: In der Katholischen Kirche ist einiges im Fluss, was die pastorale Entwicklung angeht. Es gibt zum Beispiel Wort Gottes-Feiern, die auch ein bisschen auf den Priestermangel reagieren. Welche Einsatzmöglichkeiten für die Holz- und Blechbläser sehen Sie denn im kirchlichen Rahmen - in der klassischen Messe oder vielleicht auch jenseits davon? 

Blitsch: Mit Sicherheit auch jenseits davon. Gesungen und musiziert wird ja auch in Gottesdiensten, die keine Messfeiern sind. Da gibt es mit Sicherheit Einsatzmöglichkeiten. Zum Beispiel werden wir in der Messe jetzt im Altenberger Dom den Antwortpsalm, den Kantorengesang mit Holzbläsern begleiten.

Das ist vielleicht auch ein Anknüpfungspunkt, um in Richtung Psalmen zu gehen und einfach mal zu schauen, was es da an Möglichkeiten gibt. 

Bernhard Blitsch

"Gesungen und musiziert wird ja auch in Gottesdiensten, die keine Messfeiern sind."

Natürlich gibt es ohnehin auch passende, reine Instrumentalmusik, die mit Sicherheit in irgendeiner Form Verwendung im Gottesdienst finden kann. 

DOMRADIO.DE: Blasinstrumente in Gruppen waren vor knapp 200 Jahren gar nicht gern im Kirchenraum gesehen. Und die sogenannten Musikkorps waren sogar regelrecht verboten. Warum das denn? 

Blitsch: Das war im Rahmen der Reformbewegung des Cäcilianismus, der eine Rückbesinnung auf die Wurzeln der Kirchenmusik sein wollte, also auf die Gregorianik des Mittelalters, auf die klassische Vokalpolyphonie der Renaissance. 

Bernhard Blitsch

"Der Streit, wer was womit in der Kirche singen und spielen darf, der ist fast so alt wie die Kirchenmusik selbst."

Diese Bewegung war in vielerlei Hinsicht sehr rigoros, ist mit Sicherheit oft über das Ziel hinausgeschossen. Etwa, dass selbst die klassische Kirchenmusik von Mozart und Haydn in den Augen den Anhängern keine Gnade mehr gefunden hat. Der Streit, wer was womit in der Kirche singen und spielen darf, ist fast so alt wie die Kirchenmusik selbst. 

Relief mit einer Darstellung der Heiligen Cäcilia an der Orgel auf dem Sockel des Beethoven-Denkmals in Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Relief mit einer Darstellung der Heiligen Cäcilia an der Orgel auf dem Sockel des Beethoven-Denkmals in Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Bei den evangelischen Christen gehören die Posaunenchöre schon lange zur Tradition. Liegt das nur an dieser kirchenmusikalischen Bewegung, von der Sie gesprochen haben, dass es Posaunenchöre bei Katholiken so in der Form nicht gibt? 

Blitsch: Interessanterweise hat die Posaunenchorbewegung fast zeitgleich mit dem Cäcilianismus begonnen, also etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Aber die Posaunenchöre haben sich bewusst etabliert, als auch als eine pastorale Bewegung. Das nannte sich damals die sogenannte Erweckungsbewegung, um eben auch junge Menschen für die Kirche zu gewinnen und zu begeistern. Das Musizieren auf den Blechblasinstrumenten war evangelischerseits auch eine pastorale Bewegung. 

DOMRADIO.DE: Am Samstag ist dieser besondere Diözesantag, der leider wegen Corona vor vier Jahren abgesagt werden musste. Was wünschen Sie sich denn jetzt für sich und auch für die teilnehmenden Musikerinnen und Musiker? 

Blitsch: Ich würde mir wünschen, dass die Musikerinnen und Musiker die eine oder andere Idee mit nach Hause nehmen von dem, was wir dort vorhaben. 

Ich würde mir auch wünschen, dass so eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Musikerinnen und Musikern entsteht. Denn wir sind ja nicht so organisiert, wie zum Beispiel die evangelischen Posaunenchöre, die einen Verband haben, in dem sie sich regelmäßig treffen.

Wir haben keinen Verband in dem Sinne, aber dass das Bewusstsein entsteht, dass es an vielen Orten viele Menschen gibt, die auf diese Art und Weise in der Kirche musizieren; wenn das ein Resultat des Diözesantages wäre, dann wäre ich schon sehr zufrieden. 

Das Interview führte Mathias Peter.

Altenberger Dom

Impressionen vom Altenberger Dom / © Drohne (DR)
Impressionen vom Altenberger Dom / © Drohne ( DR )

Der Altenberger Dom, häufig auch der “Bergische Dom” genannt, ist die Kirche der ehemaligen Zisterzienser-Abtei Altenberg (1133-1803) und heute Pfarrkirche der Kath. Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt, Altenberg. Die Kirche wurde nach französischen Vorbildern 1259-1379 als turmlose Querschiff-Basilika mit Chorumgang und Kapellenkranz erbaut. Nach einem Brand im Jahre 1815 erfolgte der Wiederaufbau von 1833 bis 1847.

Quelle:
DR