Erzbistum München-Freising ordnet seine Finanzen neu

"Kirchliches Vermögen kein Selbstzweck"

Mit Headhuntern und dem Handelsgesetzbuch hat die Erzdiözese München und Freising ihre Finanzverwaltung auf neue Beine gestellt. In Vermögensfragen will sie künftig nicht anders agieren als große Kapitalgesellschaften.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Frauenkirche in München / © Sebastian Widmann (KNA)
Frauenkirche in München / © Sebastian Widmann ( KNA )

Den Mitarbeitern der Zentrale des Münchner Erzbistums war in den vergangenen Wochen die Anspannung deutlich anzumerken, bis hinauf zum Generalvikar. Über drei Jahre wurde auf diesen Montag hingearbeitet, an dem das Erzbistum erstmals sein Vermögen umfassend offenlegte. Der Wert von 350 Gebäuden, 7.800 Flurstücken, 6.000 Verträgen und etlichen Kunstgegenständen wurde in Heller und Pfennig berechnet.

Spitzenplatz unter den 27 katholischen Bistümern

Nun steht die Summe von mehr als 5,5 Milliarden Euro auf der Habenseite der sechs wichtigsten Rechtsträger der Erzdiözese. Damit belegt München und Freising vorerst den Spitzenplatz unter den 27 katholischen Bistümern - zumindest gemessen an dem, was bisher veröffentlicht ist.

Die gewaltige Zahl als solche mag zunächst schwer beeindrucken, auch wenn sie nichts aussagt über die Verpflichtungen, die mit diesem Besitz verbunden sind: Mitarbeiter, mehr als 15.000, wollen ordentlich bezahlt, Gebäude unterhalten werden. Und allein wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase müssen nun auch im Erzbistum höhere Rücklagen gebildet werden, um Pensionszusagen einhalten zu können.

Wer sich die Zeit nimmt, kann in den sechs vorgelegten Jahresberichten auf zusammen mehr als 230 Seiten detailliert Einblick in solche Zusammenhänge nehmen. Die ausführlichen Bilanzen, testiert von unabhängigen Wirtschaftsprüfern, zeugen vom Willen zu größtmöglicher Transparenz. Sie sind auch ein Ergebnis der nach dem Bauskandal auf dem Limburger Domberg 2013 intern und öffentlich verschärft geführten Debatte darüber, was die Kirche mit ihren Reichtümern anstellt.

Neuordnung der Zuständigkeiten

In München hat die Debatte dazu geführt, dass auch die Zuständigkeiten grundlegend neu geordnet wurden. Fragt man den Generalvikar nach dem Ziel der Umstrukturierungen, sagt Peter Beer: "Wir haben das Geld vor uns selbst in Sicherheit gebracht." Bei der Durchsicht der Bücher sei deutlich geworden, dass "auch bei uns nicht alles glücklich gelaufen" und etwa in der Rechnungslegung "einige Dinge unklar" gewesen seien.

Die neue Finanzarchitektur sieht eine strikte Trennung vor: Wer Geld ausgibt, soll es sich nicht selbst genehmigen können; wer über beides Aufsicht führt, soll maximal unabhängig sein. Wo der Erzbischof und sein Finanzdirektor in Gremien sitzen, haben sie kein Stimmrecht, selbst wenn sie den Vorsitz führen.

Im Zentrum der Neuordnung stehen drei Stiftungen, die zusammen über ein Vermögen von fast zwei Milliarden Euro verfügen; den Löwenanteil davon hat das Erzbistum erst 2015 an sie übertragen. Sie sind den drei Grundaufgaben der Kirche zugeordnet: Seelsorge, Wohlfahrtspflege und Glaubensweitergabe/Bildung. Dieses Vermögen darf nicht geschmälert werden, die damit erwirtschafteten Erträge unterliegen einer Zweckbindung und fließen, quasi schon mit diesem Vorzeichen versehen, in den Diözesanhaushalt ein. Für Beer ist diese Maßnahme ein wichtiges Zeichen nach innen und außen: "Kirchliches Vermögen kann nie Selbstzweck sein."

Externe Sachverständige

Das vorgelegte Zahlenwerk folgt den Regeln des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften. Allein um diesen Prozess bewerkstelligen zu können, hat die Erzdiözese acht Millionen Euro in Beratungsleistungen investiert. Für die Umstellung der Vermögensverwaltung sicherte sie sich außerdem die Dienste hochkarätiger externer Sachverständiger, darunter der Finanzchef der Linde Group, Sven Schneider, und Urs Frey, Betriebswirtschaftler von der Schweizer Universität Sankt Gallen. Der Geschäftsführer der drei Stiftungen wurde unter Einschaltung von Headhuntern von der Großbank Unicredit abgeworben.

Aus diesen Maßnahmen spricht eine tiefe Überzeugung Beers: In Finanzdingen sollte die Kirche nicht länger andere Maßstäbe anwenden als weltliche Unternehmen. Es sei falsch zu glauben, nur weil die Kirche eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern sei, brauche es keine Compliance-Regeln. Der dazu erforderliche Mentalitätswechsel innerhalb der Organisation bleibe eine schwierige Aufgabe.


Quelle:
KNA