Erzengel-Tag: Michael, Raphael und Gabriel

An der Spitze der Hierarchie

An diesem Freitag feiert die Kirche die Erzengel Michael, Raphael und Gabriel. Jeder, der einen dieser Namen trägt, hat Namenstag. Engel sind nicht nur in der Bibel zu finden. Aber was ist der Unterschied zwischen einem Engel und einem Erzengel?

Engel in Potsdam / © Ralf Hirschberger (dpa)
Engel in Potsdam / © Ralf Hirschberger ( dpa )

domradio.de: Fast 300 Mal ist in der Bibel die Rede von Engeln. Wie muss man sich diese biblischen Engel vorstellen?

Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti (Theologe und Brauchtumsforscher): Das ist gar nicht so einfach, das zu tun. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass sie irgendwann Flügel bekommen haben, damit man sie erkennt. Das heißt, die Maler, die Engel dargestellt haben, haben ihnen Flügel verpasst, um darzustellen, dass es Wesen sind, die als Boten Gottes zwischen Immanenz und Transzendenz – also zwischen Welt und Himmel – verkehren. Sie werden entweder als Jünglinge oder geschlechtslose Wesen vorgestellt, die groß und schön sind. Sie kommen in den verschiedensten Gestalten vor, es lässt sich keine einheitliche Typologie festlegen. Deshalb kann man sie immer am besten an ihren Flügeln erkennen, das ist der Hinweis.

domradio.de: Was ist denn der Unterschied zwischen einem Engel und einem Erzengel?

Becker-Huberti: Auch das ist nicht einfach zu beantworten. Denn es gibt einige, die zwar in der Bibel als Erzengel bezeichnet werden. Das hat aber dazu geführt, dass sich vor allem im Laufe des Mittelalters eine "Angelologie" (Engelslehre) ausgebreitet hat, die bemüht war, sehr genau festzustellen, welche Typen von Engeln es überhaupt gibt. Man hat dann ganze Hierarchien aufgestellt, an deren Spitze die Erzengel stehen. Sie sind besonders groß, mächtig und namentlich bekannt.

Der heutige Tag der Erzengel ist der Tag von Michael, Gabriel und Raphael. Diese Namen werden alle mit "-el" am Ende gebildet, dem hebräischen Wort für "Gott". Damit wird gekennzeichnet, dass es Wesen oder Geistwesen sind, die im Auftrag Gottes handeln. Sie sind also seine Boten und in diesem Sinne nicht selbstständig. Sie sind keine Menschen und auch keine Götter, sondern Wesen dazwischen: Dämonen oder Geister.

domradio.de: Tauchen denn auch "Schutzengel" in der Bibel auf?

Becker-Huberti: Sie tauchen in einer umschriebenen Form in der Bibel auf. Sie werden nämlich beschrieben als der Engel, der zu jemandem oder für jemanden gesandt ist und ihn begleitet. Im Alten Testament sind Tobias und Tobit Figuren, die mit diesem Engel verbunden sind. Jakob ist einer, der den sogenannten Engels-Traum erlebt. Er sieht nämlich, wie Engel zum Himmel aufsteigen und wieder absteigen, also diese Botenfunktion übernehmen.

Die Vorstellung, dass es einen Engel gibt, der einem Menschen gesandt wird, um ihn zu beschützen, ist etwas, das sich dann besonders im Mittelalter und noch einmal im 19. Jahrhundert entwickelt hat. Das hat dazu geführt, dass zwei Drittel aller Christen in Deutschland an Engel glauben. Das sind übrigens mehr als die Menschen, die an Gott glauben. Auf diese Art und Weise hat sich ein kaum überschaubares Feld entwickelt – von kleinen Engelchen, von Putti, die in Gips an die Wand gehangen werden, bis hin zu modernen Sekten, die Engelwesen verehren.

domradio.de: Wenn jemand etwas ganz Tolles oder Nettes für uns macht, sagen wir manchmal: "Du bist ein Engel!" – Können wir Menschen auch Engel sein?

Becker-Huberti: Ich hoffe doch sehr! Wir können es füreinander sein – im übertragenen Sinne, denn Engel zu sein heißt, nicht mit einer bösen Absicht an jemanden heranzugehen, sondern ihm nur Gutes zu tun. Und zwar das, was er sich selbst vielleicht gar nicht tun kann: die schützende Hand über ihn zu halten, ihn zu begleiten, mit ihm zu denken, zu empfinden, zu lieben. Die Engel sind ein solches Bild, dass sie in unserer Welt überall vorkommen, vor allem in der Sprache. Denn "dat Engelchen", wie es so schön im Kölner Platt heißt, ist die Bezeichnung dafür, dass ich mir einen Menschen so wünsche, wie ein Engel für mich ist: einer, der keinerlei Arglist, keinerlei Hintergedanken hat, sondern für mich da ist.

Ich kenne es noch in der Form, dass man es auch mit ins Gebet hineinnahm. Ich habe als Kind abends das Gebet von Engelbert Humperdinck gesprochen. Die meisten werden es kennen: "Abends, wenn ich schlafen geh', 14 Englein um mich steh'n, zwei zu meinen Häupten, zwei zu meinen Füßen …" Da reichte ein Schutzengel gar nicht, sondern da waren es 14 auf einen Schlag, die um das Bett herumstanden und mich als Kind behüteten.

Das Gespräch führte Verena Tröster.


Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti / © privat (DR)
Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti / © privat ( DR )
Quelle:
DR