DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche wird durch den Missbrauchsskandal kräftig durchgeschüttelt. Vielfach wird eine Verbesserung der Machtstrukturen angemahnt. Manches Bistum besetzt Führungspositionen, auf denen zuvor Priester gesessen haben, nun mit weiblichen Laien. Lässt sich so dem Problem der ungerechten Machtverteilung entgegenwirken?
Johannes zu Eltz (Frankfurter Stadtdekan): Auf jeden Fall. Das ist ein Ärgernis für viele, das als fundamentaler Gerechtigkeitsmangel wahrgenommen wird. Dem wird damit Abhilfe geschaffen. Allerdings müssen die Frauen, die dann in den Positionen sind, wo Macht ausgeübt wird, sich auf ihre eigene Weise vorsehen. Die Gefahren der Macht, die damit einhergehen, sind nicht nur für Priester gegeben.
DOMRADIO.DE: Zum Beispiel?
Zu Eltz: Die Gefahr ist, dass man die Macht von anderen sieht und kritisiert, aber vergisst, dass man in der eigenen Position ja selber Macht ausübt. Es braucht Kontrolle: Durch den Rat guter Freunde oder von jemandem, der einem nahe steht und keine Angst vor einem hat, oder nicht abhängig ist. Es braucht ein selbstkritisches Schauen auf sich selber. Meiner Meinung nach ist die größte Gefahr, dass ein blinder Fleck entsteht für die eigene Praxis.
DOMRADIO.DE: Im Bistum Limburg, aus dem Sie kommen, gab es vor einigen Jahren auch negative Schlagzeilen über Macht und Ohnmacht. Es ging dabei um massive Kritik an der Amtsführung des damaligen Bischofs Tebartz-van Elst. War das eher ein Problem, das mit der Person des Bischofs zusammenhing oder ein strukturelles?
Zu Eltz: Ich habe das damals schon so empfunden, und sehe das auch heute noch so, dass die Schuld gar nicht bei der Person Franz-Peter Tebartz-van Elst liegt, oder anderen Handelnden im Einzelnen, sondern dass da wirklich systemische Schwächen zum Vorschein gekommen sind. An denen mussten wir auch arbeiten. Das war auch das Problem bei den MHG-Folgefragen (der Missbrauchsstudie 2018 Anm. d. Red.). Nicht auf Einzelne mit dem Finger zeigen, dass das Missbrauchende von Macht sind, sondern nach den Bedingungen suchen, unter denen solcher Missbrauch leicht entsteht. Das tut dann halt auch weh, wenn man da daran etwas ändern muss.
DOMRADIO.DE: Sie bekleiden als Frankfurter Stadtdekan eine verantwortungsvolle Rolle, die auch mit Macht und Befugnissen ausgestattet ist. Wie setzen Sie Teilhabe und Transparenz von Machtstrukturen im Alltag um?
Zu Eltz: Ich versuche in mein kleines System in Frankfurt Vertrauen von oben nach unten einzuspeisen. Auf diese Weise Leute dazu zu ermutigen, also auch solche, die von mir in ihrer Tätigkeit abhängig sind, oder meiner Dienstaufsicht unterstehen, den Mund aufmachen und auch das sagen, was an meiner Amtsführung kritisch ist. Dadurch entsteht eine Angst-Armut, Angstlosigkeit wäre vielleicht zu viel gesagt, aber wenig Angst und viel Zutrauen dazu, dass ein kritisches Wort einem nicht übel genommen wird. Das wird schon viel besser, wenn das mal erreicht ist, geht schon vieles.
DOMRADIO.DE: Kirche als Demokratie - Was ist fest und was ist verhandelbar? Diese Frage wird zur Zeit auch wieder im Zuge des Synodalen Wegs gestellt. Die Foren dazu finden ja bei Ihnen im Frankfurter Dom statt. Was sind Ihre Erwartungen daran?
Zu Eltz: Dass wir im Umfeld der kirchlichen Kernwahrheiten, also vor allem die Organisationsbedingungen, wirklich große Schritte nach vorne machen. Die dürften wir auch tun, angstlos. Wenn rüberkommt, dass das geistliche Anliegen sind, die damit verfolgt werden, und nicht Strukturdebatten, wie man immer so abwertend sagt, dann werden wir am Ende auch Rom dazu gewinnen uns da in unserer Weise vorangehen zu lassen, so wie wir die Menschen unseres Landes oder unserer Ortskirchen erreichen können.
Das Gespräch führte Michelle Olion.
Über das Thema "Macht in der Kirche" sprach Stadtdekan zu Eltz auf dem 6. Strategiekongress der Thomas-Morus-Akademie Bensberg.