DOMRADIO.DE: Wohnungsbau ist verdammt teuer. Das weiß jeder, der sich privat schon mal damit beschäftigt hat: Angefangen mit dem Grundstück, die steigenden Baupreise, immer mehr Auflagen und am Ende wird sowieso alles teurer. Wie hole ich mir die Investition wieder rein? Durch hohe Mieten. So läuft es doch, oder?
Benjamin Marx (Projektleiter der katholischen Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft): Der Investor, der in den sogenannten Schwarmstädten investiert, muss für den Baugrund sehr viel Geld ausgeben. Die Baukosten sind hoch und für ihn rechnet sich das in der Regel, wenn er teure Eigentumswohnungen daraus macht oder die Wohnungen für sehr viel Geld vermietet.
DOMRADIO.DE: Ärgert Sie das?
Marx: Eigentlich schon, weil die Städte ihren Charme verlieren. Sie offenbaren also nicht mehr ein gemeinschaftliches Leben, wie das über Jahrzehnte oder Jahrhunderte gar der Fall war. Es gibt vielmehr eine sehr starke soziale Entmischung, dadurch dass die Menschen, die Geld haben, zentral in der Stadt wohnen. Alle anderen, die weniger Geld haben, müssen dann an den Stadtrand ziehen. Wir haben eine soziale Entmischung, die für die Gesellschaft nicht gut ist.
DOMRADIO.DE: Inwieweit ist die gefährlich?
Marx: Insofern, dass Parallelgesellschaften entstehen. Der eine lernt nicht mehr die Welt des anderen kennen, und das ist irgendwo schwierig.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist es noch gar nicht so lange her, dass Sie in Berlin ein Hausprojekt für Roma durchgeführt haben. In Köln haben Sie Sankt Pantaleon umgebaut - für Kölner Bürger und für Flüchtlinge gleichermaßen, damit sie Tür an Tür zusammenleben. Klingt alles nach Vorbildcharakter. Ist es denn immer so unkompliziert?
Marx: Es ist nicht immer unkompliziert. Das Haus in Berlin habe ich nie als Roma-Projekt bezeichnet, sondern ich habe einfach gesagt: Wir revitalisieren, sanieren oder modernisieren ein Haus, obwohl dort Roma wohnen. Die Gesellschaft hat das dann zu einem Roma-Projekt gemacht. Für uns war es nur wichtig, dass Menschen ein Wohnrecht haben und dass Familien vernünftig leben können. Das ist nicht immer ganz einfach. Denn es kommt dann sehr schnell der Neidfaktor auf. Also: Warum bei denen und nicht bei uns? Das ist tatsächlich schon ein Problem.
DOMRADIO.DE: Wer unter Wohnungsnot leidet, der könnte ja auch irgendwie auf die Idee kommen und sagen, dass Flüchtlinge die Nachfrage weiter anheizen. Wie schätzen Sie das ein?
Marx: Zum Glück ist ja jetzt diese Studie erschienen, die zeigt, dass es mit dem Thema Flüchtlinge gar nicht so ist, wie das die großen Krakeeler immer von sich geben. Das gilt auch für Köln. Köln hatte vor dieser sogenannten Flüchtlingskrise 8.000 Flüchtlinge in der Stadt gehabt, durch diese sogenannte Flüchtlingskrise sind 3.000 dazugekommen. Das heißt, in dieser Stadt lebt auf 100 Einwohner ein Flüchtling. Und diese Menschen haben nicht das Wohnungsproblem verursacht, sondern das Wohnungsproblem gibt es in dieser Stadt schon seit vielen Jahren.
DOMRADIO.DE: Jetzt hat die Politik inzwischen schon die Mietpreisbremse vereinbart, die allerdings viele Ausnahmen umfasst. Es gibt jetzt ganz neu das Bau-Kindergeld. Ab heute kann man es beantragen. Es gibt schon lange Genossenschaftswohnungen, aber alles ist offensichtlich noch nicht genug. Müsste man für die Ballungsräume nicht noch mal ganz neu denken?
Marx: Ja, das müsste man in der Tat. Wir brauchen nicht weniger Miete, sondern wir brauchen mehr Wohnungen. Mietpreisbremse und Genossenschaftswohnungen dienen demjenigen, der eine Wohnung hat, aber nicht demjenigen, der eine Wohnung sucht. Wohnungsnot ist keine statistische Größe, sondern die Wohnungsnot ist ein Problem vieler Menschen. Junge Familien, die ihre Planung, was Kinder anbelangt auf ihre Wohnung einstellen müssen, weil einfach kein Kinderzimmer vorhanden ist oder weil sie keine gemeinsame Wohnung haben, sind so ein Beispiel. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Und die Mietpreisbremse schafft keine einzige Wohnung.
Das Interview führte Tobias Fricke.