Vor einem Bildschirm ist es nicht möglich, eine Hostie, also den gewandelten Leib Christi, entgegenzunehmen. Der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken lädt deshalb Menschen ein, in seine Kirche zu kommen - trotz Corona-Krise.
KNA: Pfarrer Picken, Sie bieten Einzelkommunion in der Kirche Sankt Remigius an. Warum?
Pfarrer Dr. Wolfgang Picken (Bonner Stadtdechant): Grund dafür, dass wir die Einzelkommunion angeboten haben, war die Rückmeldung einzelner Katholiken, dass sie sich in einer seelische Notlage befinden, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht die heilige Kommunion empfangen können. Vereinzelt wurde auch um die Gelegenheit für einen Kommunionempfang gebeten, um sich in dieser Krise seelisch zu stärken. Wir wollten diese seelische Notlage einzelner ernstnehmen und dem Bedürfnis nach seelischer Stärkung Rechnung tragen.
KNA: Hatten Sie nicht die Befürchtung, dass Sie mit diesem Angebot gegen Maßnahmen verstoßen, die die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen sollen?
Picken: Aus unseren Gesprächen konnten wir den Eindruck gewinnen, dass die Zahl derer, die das Angebot wahrnehmen würden, überschaubar sein würde. Auch haben wir damit gerechnet, dass die Gläubigen vernünftig abwägen, ob ein Kommunionempfang für sie wirklich notwendig ist. Im Ergebnis schien uns die Einzelkommunion am Sonntag vertretbar, weil wir davon ausgehen konnten, dass es dabei unter den Gläubigen zu keinem persönlichen Kontakt kommen würde. Unsere Einschätzung hat sich bestätigt.
KNA: Wie genau liefen die Einzelkommunionen ab?
Picken: In der Remigiuskirche in der Bonner Innenstadt, die gegenwärtig noch ganztätig geöffnet ist, standen am vergangenen Sonntag von 13.15 Uhr bis 15.00 Uhr zwei Seelsorger zur Verfügung, um die heilige Kommunion einzeln zu spenden. Am Eingang der Kirche gab es ein Hinweisschild mit Verhaltensregeln. Im Vordergrund stand dabei, dass die Menschen in der Kirche mindestens zwei Meter Abstand halten und nur einzeln an die Altarstufe treten. Die Seelsorger haben sich nach der Aushändigung der Kommunion jeweils die Hände desinfiziert. Zwei Helfer standen bereit, um die Einhaltung der Regeln zu gewährleisten. Im Verlauf der zwei Stunden haben in etwa 60 bis 80 Menschen von der Einzelkommunion Gebrauch gemacht. Das geschah ohne Drängen und zeitlich entzerrt. Es kam zu keinerlei Kontakten oder Annäherungen unter den Gläubigen. Der Kommunionempfang verlief unter vollkommener Berücksichtigung der Hygienevorschriften. Die Helfer mussten nicht regulierend eingreifen.
KNA: Wie war die Rückmeldung der Gläubigen?
Picken: Die Kommunionempfänger waren tief bewegt, zu Teilen standen ihnen die Tränen in den Augen. Für die Seelsorger waren es sehr bewegende Momente, die bestätigt haben, dass es richtig war, dieses Angebot zu machen.
KNA: Vergangenen Sonntag haben Sie die Einzelkommunionen zum ersten Mal in dieser Weise durchgeführt. Wenige Stunden später gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einheitliche Regeln zur Bekämpfung von Corona bekannt. Können Sie mit Ihrem Angebot nun weitermachen?
Picken: Die Überlegung zur Einzelkommunion war mit dem Erzbistum Köln und der Stadt Bonn kommuniziert. Es gab dort keine Einwände. Fest steht für uns, dass bei einem vermutlich längeren Verlauf der Krise und anhaltenden Beschränkungen des sozialen Lebens hinreichend in den Blick genommen werden muss, dass es auch die seelischen Nöte der Menschen und das Bedürfnis nach geistlicher Stärkung gibt. Es ist problematisch, wenn wir in dieser Krise den Menschen nur auf seinen Körper reduzieren und übersehen, dass er diese Zeit auch seelisch überstehen können muss. Unsere gegenwärtigen Regelungen ermöglichen, dass jeder zur Sicherung des persönlichen Bedarfs einkaufen gehen und den Arzt und die Apotheke aufsuchen kann. Aber es gibt eben auch seelische Grundbedürfnisse, die wir wahrnehmen und respektieren sollten.
KNA: Warum ist Ihrer Meinung nach dabei ausgerechnet der Kommunionempfang so wichtig?
Picken: Als Kirche sind wir überzeugt, dass die Sakramente für das Heil eines Menschen eine hohe Bedeutung besitzen. Es wäre deshalb fatal, wenn in der größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg die Möglichkeit zu seelischer Stärkung und Heilung entfallen würden und die Kirche keine Möglichkeit findet, mindestens Einzelnen den Zugang zu den Sakramenten zu ermöglichen.
Das Interview führte Anita Hirschbeck.