"Von unten habe ich es grün, von oben auch; ich bin von grün umzingelt, mitten in Köln", Benjamin Marx steht vor seinem Haus in der Altstadt und zeigt stolz auf die fast völlig von Pflanzen bedeckte Fassade: Wilder Wein wächst da, Efeu und Glyzinien, deren zart lilafarbene Blüten im Frühsommer Touristen zum Zücken der Handykameras verleiten.
Lebensqualität deutlich verbessert
Die Straßenzüge rund um die romanische Kirche Sankt Maria Lyskirchen lagen nach dem letzten Weltkrieg zum großen Teil in Trümmern; wie viele der Gebäude hier wurde auch die mittlerweile grün umrankte Wohnanlage in den 1960ern schnell hochgezogen, funktional zwar, aber nicht besonders schön. Das hat sich grundlegend geändert, seit ihre Besitzer 1990 bei einem Begrünungs-Projekt der Stadt Köln mit machten. Heute wirken die Wohnungen wie grüne Skulpturen, die in den asphaltgrauen Raum der Straße hineinragen. "Die Lebensqualität hat sich deutlich verbessert", sagt Benjamin Marx. Und weil er nicht nur Bewohner ist, sondern gleichzeitig Prokurist der katholischen Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft (SWG), der das längst so grüne Haus gehört, hat es durchaus Modellcharakter bekommen.
Dass das Blattwerk draußen vorm Fenster drinnen eine Insekteninvasion auslöst, sei ein Vorurteil, sagt Benjamin Marx: "Warum soll das Ungeziefer in meine Wohnung kommen, wo es doch draußen im Grünen so schön ist?" Auch vor Bauschäden durch die Wurzeln des Fassadengrüns hat er keine Angst. Nur wer bereits angegriffene Wände bepflanze, müsse damit rechnen, dass Efeu, wilder Wein und Co. Risse und Löcher vertieften. Umso entspannender haben Marx und seine Mitbewohner die kühlende Wirkung erlebt, die das Wandgrün ihnen gerade in den heißesten Tagen des Sommers bescherte.
"1990 waren wir Pioniere und haben seitdem viele unserer Objekte begrünt", erzählt Benjamin Marx weiter und verweist auf ganze Straßenzüge beispielsweise im Kölner Stadtteil Seeberg oder in der mittlerweile als Klimaschutzsiedlung ausgezeichneten Stegerwaldsiedlung. Dass aber auch beim größten katholischen Wohnungsunternehmen in Sachen Fassadenbegrünung noch viel Luft nach oben ist, weiß auch ihr Prokurist.
Nachhaltigkeit wird immer wichtiger
Besser sieht es schon bei den Dächern aus. Frank Schmeink arbeitet seit vierzehn Jahren für die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft, und ist zuständig für Neubauten. "In dieser Zeit habe ich keinen einzigen Flachdachneubau erlebt, den wir nicht begrünt hätten", sagt der Diplom-Ingenieur. Immer sei es darum gegangen, das Mikroklima zu verbessern - und das soziale gleich mit. Wie er das meint, erläutert er an einem aktuellen Bauvorhaben im Herzen von Köln-Porz. Dort soll an der Sankt Josefskirche ein neues Wohn- und Geschäftshaus entstehen; im Zusammenspiel mit der angrenzenden Immobilie plant die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft nun einen Gebäudekomplex mit grüner Wand im Innenhof. Die bepflanzte Fläche soll zum einen verhindern, dass sich die Räume zu stark aufheizen, gleichzeitig auch als Schallschutz funktionieren. Wie das Ganze genau aussehen wird, steht noch nicht fest.
Natürlich koste das begrünte Bauen zunächst mehr, sagt Frank Schmeink, aber wiederum nicht so viel, dass es "absolut unwirtschaftlich" werde. Der große Mehrwert des Grüns lasse sich eben nicht so einfach in "Cent Miete oder Quadratmeter Kaufpreis" bemessen. "Aber wir wissen, dass sich Menschen in solch begrünten Innenhöfen sehr wohl fühlen und dass das auf Gebäude und Bewohner ausstrahlt."
Dass Gebäude-Begrünungen und nachhaltiges Bauen an sich immer wichtiger werden, ist für Frank Schmeink keine Frage. Dazu trage neben den bereits spürbaren Folgen des Klimawandels auch der wachsende gesellschaftliche Druck bei. "Wir werden unsere Bemühungen in diese Richtung ganz sicher weiter intensivieren." Benjamin Marx nickt zustimmend. "Der Mensch kommt ja nicht aus einem Plattenbau, sondern aus der Natur." Jetzt gehe es darum, die Folgen der Urbanisierung abzumildern. "Nicht jeder hat einen Rasen oder einen Garten. Aber eine Fassade kann Grün für alle sein."