DOMRADIO.DE: Diese Aussage des Papstes ist ein Paukenschlag, oder?
Prof. Dr. Ansgar Wucherpfennig SJ (Jesuitenpater, langjähriger Rektor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen und Professor für die Exegese des Neuen Testaments): Zunächst mal freue ich mich natürlich auch darüber. Paukenschlag ist Ihr Bild. Das ist, finde ich, ein schönes Bild. Ich würde vielleicht sagen, er hat auch ins Horn gestoßen, und ich hoffe, dass ihm keiner in die Parade fährt und ihm viele folgen werden.
DOMRADIO.DE: Wer könnte ihm denn in die Parade fahren?
Wucherpfennig: Es gibt alle möglichen Versuche, jetzt wieder zu differenzieren, er hätte ja nun die staatliche Partnerschaft erlaubt und sich dafür ausgesprochen für die Ehe und für die Familie. Aber damit sei natürlich keinesfalls die katholische Ehe gemeint und so weiter.
Alle möglichen Differenzierungen wirken natürlich im Vergleich zu der Öffnung, die der Papst da ausgesprochen hat, wieder relativierend und zurücknehmend. Das meine ich mit "in die Parade fahren". Das können alle möglichen Institutionen oder auch Einzelnen sein, die sich da angesprochen oder bemüßigt fühlen.
DOMRADIO.DE: Sie sind Bibeltheologe. Die ablehnende Haltung gegen Homosexuelle wird ja immer wieder auch mit der Heiligen Schrift begründet. Wie passt das, was in der Bibel steht, denn jetzt zusammen mit dem, was der Papst gesagt hat?
Wucherpfennig: Das stimmt und das liegt tatsächlich an Bibelstellen, die sich tief eingegraben haben in das moralische Bewusstsein von Christen und Christinnen. Mein Eindruck ist aber, dass sich zeigen lässt, dass das heutige Verständnis von Homosexualität all diese Bibelstellen nicht trifft.
Es gab eben damals nicht die Idee einer Haltung oder einer Prädisposition, die persönlich Menschen orientiert. All so etwas von der sexuellen Orientierung, das sind im Grunde genommen erst moderne Vorstellungen. Auch das Wort Homosexualität stammt ja erst aus dem 19. Jahrhundert.
DOMRADIO.DE: Jetzt fordert der Papst ja keine "Ehe für alle", aber er fordert so etwas wie eingetragene Partnerschaften. Auch wenn das natürlich nur den zivilen Bereich betrifft: Was bedeutet das für diese Debatte in der Kirche?
Wucherpfennig: Es geht ihm ja offenbar um eine rechtliche Absicherung solcher Partnerschaften. Es geht ihm aber auch darum, so wie ich es in den Äußerungen verstanden habe, dass Schwule und Lesben in den Kirchengemeinden und in den Kirchen willkommen sind und das auch so spüren.
Das heißt, es geht nicht nur um die zivilrechtlichen Fragen der notwendigen rechtlichen Absicherung, sondern schon auch um die Frage der kirchlichen Atmosphäre und Stimmung gegenüber Homosexuellen. Da meine ich, und deswegen habe ich das Bild gebracht "er hat ins Horn gestoßen", es müssten schon Konsequenzen folgen, zum Beispiel bei den Formulierungen im Katechismus.
DOMRADIO.DE: Was für Formulierungen meinen Sie genau?
Wucherpfennig: Der Katechismus fordert ja den Respekt gegenüber Homosexuellen. Aber die Formulierungen, die er dann verwendet bei dieser Forderung nach dem Respekt, sind so, dass sie ihrerseits schon wieder diskriminierend sind. Sie sind vielleicht nicht in ihrer Intention diskriminierend, aber werden von vielen Homosexuellen als diskriminierend empfunden – und nicht nur von ihnen, sondern auch von mir.
DOMRADIO.DE: Der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, hat sich vor kurzem auch für einen anderen Umgang mit Lesben und Schwulen ausgesprochen. Würden Sie sagen, wir erleben da gerade so eine Art Klimawandel in der Kirche bei diesem Thema? Oder werden konservative Kreise das tatsächlich auch wieder zu verhindern suchen?
Wucherpfennig: Mein Eindruck ist, dass die Kirche da tatsächlich jetzt nachzieht und dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung trägt und merkt, dass sie sich einfach zunehmend verschließt beziehungsweise in andere Welten begibt, wenn sie Homosexualität nicht anerkennt und sich dieser Wirklichkeit nicht stellt.
Das erlebe ich jetzt mittlerweile sehr breit. Ich glaube, das liegt auch einfach daran, dass kirchliche Amtsträger, da würde ich mich jetzt auch selber dazu zählen, einfach mehr und mehr Kontakte und auch guten Kontakt mit Menschen haben, die in überzeugter Weise und überzeugender Weise ihre Homosexualität leben.
Das Interview führte Verena Tröster.