DOMRADIO.DE: Wie ist das mit der Vorfreude bei Ihnen auf vier Wochen EM, steht die große Leinwand schon?
Sr. Katharina Hartleib OSF (Franziskanerin aus Olpe): Nein. Also mit der Vorfreude, ich merke, es kommt ganz langsam. Weil, das war ja alles so schwierig. Diese Qualifikation ist gefühlt schon Ewigkeiten her. Ich habe gar keine Übersicht mehr, wer, wie, wann, wie gut gespielt hat. Aber so langsam aber sicher denke ich, okay, es könnte ja mal losgehen. Und dann schauen wir mal.
DOMRADIO.DE: Eine EM während der Corona-Pandemie, noch dazu in ganz vielen Städten Europas, mit vielen Reisen, mit Fans, die dabei sein werden. Das ist einerseits schön, aber ist das auch das richtige Signal, was meinen Sie?
Sr. Katharina: Da bin ich tatsächlich auch so ein bisschen innerlich zerrissen. Ich glaube, dass es vielen Leuten unglaublich gut tun wird, dass es nicht mehr Geisterspiel sind. Die fand ich so schrecklich.
Und mit so einer Begeisterung im Stadion kommt, glaube ich, auch so eine Begeisterung in die Wohnzimmer oder in die Gärten, wo man das schauen kann. Ich denke, die Leute haben jetzt so viel Erfahrung damit, wie man damit umgehen könnte, dass ich eigentlich guter Hoffnung bin, dass es gut geht.
Was mich ein bisschen wundert ist, dass in Budapest so viele Leute ins Stadion dürfen. Das halte ich für falsch. Aber die Stadien wo so 10.000, 12.000, 14.000 und mit einem guten Konzept - ich glaube, dass das geht.
DOMRADIO.DE: 14.000 zum Beispiel dann bei den Spielen in München mit der deutschen Mannschaft. Ja, schauen wir mal auf Jogis Jungs. Was ist da möglich? Für mich ist unsere Mannschaft eine echte Wundertüte. Auch in dieser schwierigen Gruppe mit Frankreich, dem Weltmeister, mit Portugal, dem Europameister und mit Ungarn ist alles drin. Wie sehen Sie das?
Sr. Katharina: Ja, das sehe ich auch so. Ich habe überhaupt keine gute Hoffnung, obwohl ich grundsätzlich ein hoffnungsvoller Mensch bin. Aber die Mannschaft ist wirklich eine Wundertüte. Ich habe keine Idee.
Ich könnte mir vorstellen, wenn das Spiel gegen Frankreich nicht so voll vor den Baum geht, dass dann die die Spieler merken, oh, es geht doch was, und dann gegen Ungarn und gegen Portugal doch zumindest weiterkommen. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn sie in der Vorrunde ausscheiden. Ich fände es furchtbar, aber ich würde mich nicht wundern.
DOMRADIO.DE: Wundertüte eben. Aber das Team hat sich ja letzten Montag noch mal Selbstvertrauen geholt durch das 7:1 gegen Lettland. Von viel positiver Stimmung ist da die Rede, jetzt auch im Quartier in Herzogenaurach. Ist dieser Teamspirit möglicherweise dann doch eben ein Schlüssel zum Erfolg?
Sr. Katharina: Das könnte natürlich gut sein. Was mir gefallen hat bei dem Spiel war, dass es nicht zwei, drei Torschützen gab, sondern sieben. Das heißt, sie haben sich quasi gegenseitig die Kohlen aus dem Feuer geholt.
Und wenn ich jetzt an die Champions-League-Sieger denke, die jetzt dabei sind und ein ganzer Teil doch neuerer, jüngerer Leute und in Kombination mit denen, die viel Erfahrung haben, könnte das natürlich sein, dass das damit besser funktioniert, als es 2018 war.
DOMRADIO.DE: Und dann sind es ja auch die letzten Spiele von Jogi Löw als Bundestrainer. Auch da weiß ich jetzt nicht, ob das gut ist oder eher hemmend. Kann das auch eine Komponente sein, dass die Mannschaft sagt, komm, wir holen mal den Titel für Löw und bereiten ihm dann super Abgang?
Sr. Katharina: Das könnte sein. Ich kann es mir gar nicht vorstellen, weil ich denke, die Spieler haben, wenn sie gut vorbereitet sind, Lust und ich glaube eher, für sie selber als Mannschaft und für sie selber als Spieler sowas zu erleben und dann natürlich soweit wie möglich zu kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so dieses Ding ist: Wir gewinnen den Titel für Jogi. Aber ich weiß es nicht.
DOMRADIO.DE: Schauen wir noch kurz auf die Favoriten. Mein Top-Favorit ist Frankreich. Auch die jungen Engländer hab ich diesmal auf dem Zettel, habe aber trotzdem Deutschland natürlich als Europameister getippt. Welche sind Ihre Favoriten?
Sr. Katharina: Meiner ist ehrlich gesagt eher Italien. Die haben die letzten 27 Spiele gewonnen und spielen wieder so anders als früher. Und Frankreich - auf alle Fälle, Deutschland - ich glaube nicht.
Das Interview führte Carsten Döpp.