Essener Bischof verteidigt Kirche gegen Theologenmemorandum

Nicht immer mit dem Zeitgeist

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat in einem Podiumsgespräch zum Thema Kirchenreformen eingeräumt, dass die Kirche eine "immer wieder neu eine lernende Gesellschaft" sein müsse. Sie habe Wandlungsfähigkeit bewiesen, sei aber wesentlich geprägt von einer "kritischen Sperrigkeit". Der Zeitgeist sei jedoch nicht immer unbedingt "wahr und richtig".

 (DR)

Overbeck verwies am Freitagabend in Mülheim auf die 2.000-jährige Geschichte der Kirche. Ungeachtet des Zeitgeistes sei die Rückbindung an das alte Wissen existenziell. Das Podiumsgespräch fand im Rahmen des diözesanen Dialogprozesses "Zukunft auf katholisch" statt, den Overbeck zu Beginn des Jahres angestoßen hatte. Die Veranstaltung in der Katholischen Akademie des Bistums Essen, "Die Wolfsburg", stand unter dem Thema "Wie viel Beteiligung braucht die katholische Kirche?".



Nach Worten des Ruhrbischofs hat durch das Zweite Vatikanische Konzil eine erstaunliche Wende hin zu mehr Offenheit und Beteiligung von Laien stattgefunden. Sie sei sicher aber noch nicht ganz vollzogen. Die aus dem Konzil hervorgegangenen Schriften machten deutlich, dass Laien zusammen mit Geweihten die Kirche bildeten und dass die Kirche der Zukunft wesentlich vom Volk Gottes abhängig sei. Der Essener Bischof gehört mit dem Münchner Kardinal Reinhard Marx und dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode der Steuerungsgruppe für den nach dem Missbrauchsskandal angestoßenen Dialogprozess der deutschen Bischofskonferenz an.



Theologe Kruip: Kirche muss absolutistische Struktur ablegen

Der Mainzer Sozialethiker Gerhard Kruip erneuerte dagegen in der Runde die Forderung nach Veränderungen in der katholischen Kirche. Diese müsse von ihrer absolutistischen Struktur wegkommen, die vielen Menschen heute einen Glauben innerhalb der Kirche erschwere, sagte er in Mülheim. Die Grundlagen dazu seien schon im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) angelegt. Leider gebe es heute Tendenzen, diese Entwicklung wieder zurückzufahren.



Nach wie vor stellten auch jüngere Menschen die Frage nach Gott, so Kruip. Sie hätten aber den Eindruck, das was die Kirche repräsentiere, decke sich nicht mehr mit der Botschaft Jesu. Sie seien frustriert, wenn auch allein die deutsche Kirche betreffende Dinge in Rom entschieden würde. Als Beispiel nannte er den Ausstieg aus der Schwangerschaftskonfliktberatung im Jahr 2000. Kruip ist Mitinitiator des mittlerweile von mehr als 300 Theologieprofessoren und Dozenten unterzeichneten Reformappells "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch".



Es sei fraglich, ob die Kirche an den richtigen Stellen sperrig bleibe, so Kruip. Im Theologen-Memorandum von 2011 gehe es nicht um primäre, also das Wesen des Glaubens berührende Fragen. "Es geht um sekundäre Dinge, die es den Menschen schwer machen, in der Kirche zu bleiben." Der Zölibat etwa gehöre nicht zum Kernbereich des Glaubens. Darüber sowie über weitere Forderungen des Memorandums nachzudenken, müsse erlaubt sein. In dem Papier hatten die Theologen unter anderem für eine stärkere Beteiligung der Gläubigen an der Bestellung von Amtsträgern sowie die Priesterweihe auch von Verheirateten und damit ein Ende des Pflichtzölibats plädiert.