Essener Bistumsjubiläum: Bistumstag mit Riesen-Kaffeetafel

Soziales als Grundauftrag

Das Bistums Essen hat am Sonntag mit einem Freiluft-Gottesdienst in der Innenstadt der Ruhrmetropole sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Mehr als 8.000 Gläubige nahmen an den Feierlichkeiten teil. Bischof Felix Genn dankte in seiner Predigt den Männern und Frauen, die sich in den vergangenen 50 Jahren "als katholische Christen für das Leben hier vor Ort eingesetzt haben". Auch auf den jüngsten Missbrauchsfall im Bistum ging Genn ein.

 (DR)

Die katholische Kirche im Ruhrgebiet wolle auch weiterhin als soziales Bistum nahe vor Ort bei den Menschen sein. "Das bleibt Grundauftrag in einer Region, die weiterhin gekennzeichnet ist von vielen sozialen Problemen", so Genn.

Der Bischof appellierte an die Gottesdienstteilnehmer auf dem Essener Burgplatz, sich auch als kraftvolle Masse zu begreifen. "Was wir heute erleben, ist eine gewaltige Sonntagsdemonstration des Volkes Gottes." Zusammen mit anderen werde die katholische Kirche sich deshalb auch stets für den Schutz des Sonntags stark machen. "Wir wollen uns nicht von der Logik des Marktes und der Macht des Konsums versklaven lassen." Leben sei weit mehr als Hetze und Betrieb. Genn rief die Jugendlichen auf, sich der Kirche von Essen als Priester oder Ordensangehörige zur Verfügung zu stellen.

Der Bischof äußerte sich auch zu dem vergangene Woche bekanntgewordenen Missbrauchsfall in seinem Bistum. Die "tiefe Beschämung" lasse sich nur in dem festen Glauben aushalten, dass Gott Heilung und Vergebung schenke. Die Staatsanwaltschaft hatte Haftbefehl gegen einen Bottroper Priester erlassen. Laut Behörde steht der 66-Jährige im Verdacht, sich 1994 und 1995 an einem heute 26-Jährigen in mindestens 15 Fällen vergangen zu haben.

An dem Gottesdienst unter freiem Himmel nahmen Katholiken aus nahezu allen Gemeinden des Ruhrbistums zwischen Duisburg und dem Sauerland teil. Viele Gruppen waren zu Fuß oder mit dem Fahrrad nach Essen gepilgert. Aus Gelsenkirchen kamen Gemeindemitglieder mit gecharterten Straßenbahnen. Nach dem Gottesdienst stand ein Kaffeetrinken für alle Gäste auf dem Programm des Bistumstags. Die Kaffeetafel quer durch die Essener Innenstadt war für rund 6.000 Menschen gedeckt.

Mit einem Gottesdienst und einem Festakt hatten die Feierlichkeiten am Samstag begonnen. Dabei ermutigten Vertreter aus Kirche und Politik die Katholiken zu Strukturreformen. Die Feiern in Essen stehen unter dem Motto "Leben im Aufbruch".

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, rief bei einem Gottesdienst im voll besetzten Essener Dom zur aktiven Gestaltung des Umbruchs auf. "Wer ängstlich an allem festhalten will, verspielt die Zukunft."

Die Kirche in Deutschland stehe vor großen Herausforderungen, so Zollitsch in seiner Predigt. Als Beispiele nannte er rückläufige Kirchenmitgliederzahlen, demografischen Wandel, religiöse Gleichgültigkeit und einen neuen kämpferischen Atheismus. "Wir müssen zusehen, wie Werte, die unsere Gesellschaft bisher trugen, in Gefahr sind zu zerbrechen und zu verschwinden." Das Bistum Essen sei durch Zechensterben, Stahlkrise und Abwanderung besonders vom Umbruch betroffen. "Dieser Wandel wird weitergehen, darauf müssen wir uns nüchtern und sachlich einstellen."

Der Essener Bischof Felix Genn erinnerte während des anschließenden Festaktes an das Anliegen von Papst Pius XII. vor 50 Jahren, "zur Wohlfahrt der Menschen ein neues Bistum" an Ruhr, Emscher und Lenne zu errichten. Dieser Aufgabe wolle die Kirche im Ruhrgebiet auch in Zukunft nachkommen. Seit 2003 führt die Diözese eine Strukturreform durch, die kurz vor dem Abschluss steht; dabei werden die 259 Gemeinden zu 43 Großverbünden zusammengeschlossen.

Genn verwies vor 250 geladenen Gästen in der Essener Philharmonie auf die praktizierte Einheit von Kirche und die durch ihre Arbeit geprägten Menschen im Ruhrgebiet. Das Ruhrbistum sei immer "Kirche mit sozialem Faktor" gewesen. Auch in Zukunft bleibe es ihr Auftrag, den Menschen "unabhängig davon, ob diese sich im Laufe der Zeit verändert haben, das Evangelium Christi zu verkünden". Das gelte gerade in einer Zeit, in der Religion wieder auf allgemeines Interesse stoße.

Genn rief zu mehr Mut zum Christsein auf. "Auch wenn die Zahl der Christen weiter zurückgeht, sollten wir selbstbewusst zeigen: Wir sind Christen", betonte Genn am Samstagabend.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) rief die Katholiken im Ruhrbistum auf, sich für die Gesellschaft einzusetzen. Sie würden gebraucht, damit "der Geist einer humanen Gesellschaft auch weiterhin auf fruchtbaren Boden fallen" könne. Bereits in der Vergangenheit hätten sie gezeigt, dass sie "Grundlagen unseres Gemeinwesens nicht verzehren, sondern schaffen". Rüttgers dankte Genn für die geleistete Arbeit bei der Umgestaltung der Diözese. "Sie haben sich für das Ruhrbistum dieser gewaltigen Aufgabe angenommen."

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, äußerte den Wunsch nach engerer Zusammenarbeit der Konfessionen vor Ort. Angesichts kleiner werdender Mitgliederzahlen und schwindender Ressourcen sollten evangelische und katholische Gemeinden mehr gemeinsame Aufgaben übernehmen. Heute gebe es bereits Gegenden, in denen die Konfessionslosen in der Mehrzahl seien.  "Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, hier als Kirche sichtbar präsent zu bleiben," so der Präses.

An den Jubiläumsfeierlichkeiten nahmen Vertreter aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Sport teil, darunter Bundestagspräsident Norbert Lammert. Zu den rund 20 deutsche Bischöfen gehörten der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Aachens Bischof Heinrich Mussinghoff, der Hamburger Erzbischof Werner Thissen und Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück. Ebenso vertreten war der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland und Exarch von Zentraleuropa, Augoustinos Lambardakis.

Aus dem Ausland kamen Kardinal Joseph Zen Ze-kiun aus Hongkong und der Erzbischof von Kattowitz, Damian Zimon. Weitere Teilnehmer waren der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, sowie der Vorsitzende des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Berthold Beitz.