DOMRADIO.DE: Das ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Können Sie trotzdem ganz kurz erklären, um was es bei der Crispr-Methode geht?
Prof. Dr. Peter Dabrock (Vorsitzender des Deutschen Ethikrates): Hinter dieser Methode verbirgt sich ein relativ neues biologisch-gentechnisches Verfahren, mit dem man wie mit einer Schere am Genom sehr präzise, relativ einfach und sehr kostengünstig herumschneiden kann. Das gab es bis dato so noch überhaupt nicht. Das wird zu einer Revolution in der gesamten Biotechnologie führen und ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Als Ziel gaben die Forscher aus China und den Vereinigten Staaten unumwunden zu: Mittels genetischer Manipulation soll nicht nur die schwere Erbkrankheit eines Individuums therapiert werden. Vielmehr soll dauerhaft verhindert werden, dass auch mögliche Nachkommen des Mensch gewordenen Embryos diese Krankheit weitertragen.
DOMRADIO.DE: Kardinal Woelki hat in seiner Silvesterpredigt genau diese Methode kritisiert und davor gewarnt, dass der Mensch hier Schöpfer spielt. Teilen Sie die Bedenken des Kardinals?
Dabrock: Zunächst einmal finde ich es erwähnenswert, dass der Kardinal überhaupt die wissenschaftliche Tätigkeit gewürdigt hat und sie nicht generell verurteilt. Und ich finde auch richtig, dass er dazu mahnt, dass man die Grenzen solcher Tätigkeiten im Blick haben muss. Aber dann muss man in der Tat auch noch mal darüber nachdenken, ob die Grenze, so wie der Kardinal sie benannt hat, auch sinnvoll ist. Das würde ich jedenfalls etwas differenzierter sehen als er.
DOMRADIO.DE: Wieso?
Dabrock: Er sagt zunächst erstmal, dass man überhaupt nicht ins Genom eingreifen sollte. Das tun wir aber auch aus therapeutischen Zwecken. Denken wir nur an genmanipuliertes Insulin, was für Diabeteskranke eingesetzt wird. Aber schauen wir auch auf andere Gebiete: Das tun wir in der Pflanzenzucht, das tun wir in der Tierzucht. Das würde ich so generell nicht verteufeln.
DOMRADIO.DE: Und im Bereich der Embryonen?
Dabrock: Das ist wieder ein anderer Punkt, der in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird. Da hat die katholische Kirche eine klare Position, wie man mit Embryonen in der Forschung umgehen darf. Da würde ich auch eine andere Position einnehmen. Aber ich finde es wichtig, dass der Kardinal dort die katholische Position einbringt. Darüber hinaus ist natürlich die Frage insgesamt zu betrachten, wo das eigentliche Problem hier bei dieser neuen Crispr-Methode liegt.
DOMRADIO.DE: Das sind tatsächlich alles komplizierte Fragen. Denn grundsätzlich kann und darf der Mensch in die Natur eingreifen, um schlimme Krankheiten zu verhindern. Zum Beispiel, wenn wir bei Chemotherapien Keimbahnen verändern. Wo aber ist da die Grenze?
Dabrock: Ich glaube, dass das, was jetzt bei den neuesten Versuchen, die in China und Amerika stattfinden, überaus besorgniserregend ist. Hier werden ohne öffentlichen Diskurs Fakten gesetzt, sodass man davon ausgehen kann, dass es wohl nicht mehr lange hin sein wird, bis tatsächlich das erste genetisch manipulierte Baby geboren wird. Das wird zunächst mit therapeutischen Zwecken begründet. Aber tatsächlich könnte es dann natürlich auch noch andere Zwecke geben.
DOMRADIO.DE: Sind denn therapeutische Zwecke in Ordnung?
Dabrock: Selbst zu therapeutischen Zwecken ist es ein systematischer Eingriff in das menschliche Genom. Ich glaube, das kann nicht nur eine Sache der Wissenschaft sein, das muss eine Sache der globalen Zivilgesellschaft sein. Deswegen dürfen nicht nur Wissenschaftler darüber debattieren.
Insofern finde ich es gut, wenn auch von Seiten der Kirchen und von Seiten des Kardinals eine solche klare Stellungnahme kommt, die zu diesem Diskurs beiträgt.
DOMRADIO.DE: Wie steht denn der Deutsche Ethikrat dazu?
Dabrock: Der Deutsche Ethikrat hat auch vor wenigen Wochen eine Stellungnahme abgegeben und zwar einstimmig, wo wir genau diesen öffentlichen Diskurs auf der globalen Ebene fordern.
DOMRADIO.DE: Wo liegt denn nach ihrer Ansicht das Problem? In den USA und in China preschen die Forscher ja schon weit vor - da wird doch schon längst am Desigberbaby geforscht?
Dabrock: Das darf man nicht einfach denjenigen, die Fakten setzen, überlassen. Sondern man muss so lange wie möglich Sand ins Getriebe streuen und zwar nicht, um gegen die Wissenschaft zu sein, sondern um für eine verantwortliche gesellschaftlich eingebundene Wissenschaft zu sein. Das scheint mir unter Nachhaltigkeits- und Vertrauens-Gesichtspunkten der richtige Weg zu sein.
Das Interview führte Hilde Regeniter.