Die Durchsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sei in dem Land noch nicht gesichert, erklärte die Europäische Kommission am Mittwoch in Brüssel. "Zahlreiche Vorwürfe schwerer Verletzungen des Verbots von Folter und Misshandlung sowie der Verfahrensrechte wurden im Anschluss an den Putschversuch gemeldet", teilte die Behörde in einer Erklärung mit, die einen umfangreichen Bericht zusammenfasste.
Entwicklung der Meinungsfreiheit
Sorgen macht der EU auch die Entwicklung bei der Meinungsfreiheit, wo sie über das vergangene Jahr "einen ernsten Rückschlag" feststellte. Das Recht und insbesondere Bestimmungen für den Antiterror-Kampf würden willkürlich angewandt, um die Meinungsfreiheit einzuschränken. Gegen Journalisten wie auch gegen bloße Nutzer sozialer Medien würden Prozesse angestrengt, Journalisten ins Gefängnis geworfen.
Auch in Bereichen wie der Justiz macht die EU Mängel aus. Richter und Staatsanwälte würden entlassen und in manchen Fällen inhaftiert, weil sie angeblich mit der Gülen-Bewegung konspirierten. "Diese Situation hat sich nach dem Putschversuch vom Juli verschlimmert", erklärte die Kommission. Generell hätten die Maßnahmen nach dem Putsch "das ganze Spektrum der Gesellschaft" getroffen, darunter Polizisten und Soldaten, Akademiker, Geschäftsleute und Behördenmitarbeiter.
Der turnusmäßige Bericht ist Teil des Beitrittsprozesses der Türkei zur EU. In deren Rahmen wird regelmäßig über den Stand in dem jeweiligen Land berichtet. Die EU hat dies am Mittwoch auch für weitere Beitrittkandidaten wie Serbien und Montenegro getan. Ziel des Prozesses ist eine Angleichung der Standards der Beitrittskandidaten in rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht an die EU.
EU erkennt einige Fortschritte an
Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei haben schon 2005 begonnen. Derzeit ist für aber kein Abschluss absehbar. Im Gegenteil haben die jüngsten Entwicklungen und insbesondere die Diskussion über die Wiedereinführung der Todesstrafe die Türkei von der EU entfernt.
Allerdings ist das jetzt ausgestellte Zeugnis nicht restlos schlecht. Die EU erkennt einige Fortschritte an, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Korruption oder der Reform der öffentlichen Verwaltung. Allerdings sei wiederum ein Teil jener Fortschritte seit dem Putschversuch wieder ins Gegenteil verkehrt worden, stellte die EU-Kommission fest. Den Putschversuch selbst hat die Kommission von Anfang an als Angriff auf die Demokratie verurteilt und dies auch am Mittwoch bekräftigt.