Prager Kardinal kritisiert Lage der EU

EU atmet nicht mehr den Geist der Gründerväter

Mit kritischen Worten zur Lage der EU hat sich der Prager Kardinal Dominik Duka zu Wort gemeldet. Ausgerechnet die EU-Institutionen seien mit ihrer derzeitigen Politik "der größte Feind der europäischen Integration".

Europaflagge / © Marian Wejo (shutterstock)

Dies beklagt der 77-jährige Prager Erzbischof in einem Kommentar auf seiner privaten Website. Europa könne nur dann eine erfolgreiche Zukunft haben, wenn die Ideen der Gründerväter der modernen europäischen Einigung wie Robert Schuman (1886-1963) oder Alcide De Gasperi (1881-1954) wieder stärker beherzigt würden.

Duka verweist etwa auf den geltenden EU-Grundlagenvertrag von Lissabon. Dieser enthalte keinen Verweis auf die jüdisch-christlichen Wurzeln Europas und gebe damit zu erkennen, "dass er nicht denselben Geist wie das Europa der Gründerväter atmet". Staatsmänner wie den damaligen französischen Außenminister Schuman habe der Zweite Weltkrieg hervorgebracht, "der von Kräften entfesselt worden war, die sich gänzlich gegen die christlichen Wurzeln Europas stellten", so der Ordensmann und Kardinal. Ihr Handeln und die damalige Gründung der Montanunion zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit sei "nötig gewesen, dem zugrunde gerichteten Europa zur Installierung des Friedens und des Geistes der Zusammenarbeit zu helfen".

Gegenwärtiger Vertrag "ein neues Produkt"

Die heutige, auf den 1993 in Kraft getretenen Vertrag von Maastricht zurückgehende EU bezeichnet Duka hingegen als "ein neues Produkt". Sie stamme von Politikern, "in deren Reihen sich praktizierende Katholiken nur mehr in unbedeutender Minderheit befanden". Zwar übernähmen auch heute christliche Politiker Verantwortung für die Entwicklung Europas. Allerdings machten sie "vielfach Kompromisse, sodass die Ideale, auf denen der Europagedanke basierte, beiseitegeschoben werden".

Weitere Integrationsschritte könnten nur Erfolg haben, wenn man sich der Ideen der europäischen Gründerväter besinne, so Duka. "Unangemessen und unwahrhaftig" sei hingegen eine öffentliche Debatte, die eine Geißelung jener verlange, die die EU kritisierten.

Debatte um die EU-Mitgliedschaft in Tschechien

Hintergrund seiner Äußerungen ist ein Interview der von der katholischen Kirche in den tschechischen Rundfunkrat entsandten Ökonomin Hana Lipovska, das in Tschechien für anhaltenden Wirbel sorgt. Im Wirtschaftsblatt "Hrot" übte Lipovska zuletzt scharfe Kritik an Brüssel und sprach sich unter anderem für ein Referendum über einen EU-Austritt Tschechiens ("Czexit") aus. Die EU-Mitgliedschaft bedeute für Tschechien "Rückständigkeit, Freiheitsverlust und Erniedrigung", so Lipovska. In der von Deutschland und Frankreich dominierten EU sitze man, bildhaft gesprochen, "nicht auf dem Beifahrersitz, sondern im Anhänger".

Die Aussagen nötigten den Vorsitzenden der Tschechischen Bischofskonferenz, Jan Graubner, zu einer Klarstellung. Lipovska spreche in Sachen EU nicht für die Kirche; ihre Äußerungen hätten "rein persönlichen Charakter". Für die Bischofskonferenz sei die europäische Zusammenarbeit sehr wichtig, so Graubner, wenngleich sie Bischöfe "eine Reihe von Dingen kritisch" sähen.

Der Pilsener Bischof Tomas Holub kritisierte in der Zeitung "Denik N", Lipovska habe die "Werte eines gemeinsamen Voranschreitens und der Solidarität im Rahmen Europas mit Füßen getreten". Holub hatte sich schon zuvor via Twitter von der Ökonomin distanziert, die in ihrem "Hrot"-Interview den Gründervätern der europäischen Einigung eine "elitäre Haltung der Menschenverachtung" vorgeworfen hatte. Das Beispiel von Robert Schuman, für den in der katholischen Kirche auch ein Seligsprechungsverfahren läuft, zeige, dass dieser Vorwurf "völlig absurd" sei, so Holub.


Dominik Duka mit Journalisten / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Dominik Duka mit Journalisten / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )
Quelle:
KNA