Das EU-Parlament hat sich für eine schärfere Fassung des geplanten europäischen Lieferkettengesetzes ausgesprochen.
Eine Mehrheit der Abgeordneten in Brüssel stimmte am Donnerstag für Regeln, die europäische Unternehmen zu Vorkehrungen gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung auch bei Zulieferern und Unternehmenspartnern im Ausland verpflichten sollen.
Die gewünschten Maßnahmen gehen sowohl über den Entwurf der EU-Kommission wie über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. Der Ausgang des Votums galt als ungewiss; Reaktionen aus dem Parlament fielen unterschiedlich aus.
Weltweiter Umweltschutz
Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Europa-SPD und Berichterstatter für das EU-Lieferkettengesetz im Umweltausschuss, sprach von einem "klaren Signal", dass Umweltschutz und Menschenrechte nicht an den EU-Außengrenzen aufhörten, sondern weltweit gälten.
Wölken kritisierte den Widerstand der christdemokratischen EVP und rechter Parteien gegen das Regelpaket, das unter anderem vorsieht, Wertschöpfungsketten bis 2050 klimaneutral zu gestalten: "Diese Sabotageversuche sind gescheitert", sagte Wölken.
Auch Straflosigkeit für europäische Unternehmen wie nach der Rana-Plaza-Brandkatastrophe 2013 in einer Textilfabrik in Bangladeschmit über 1.000 Todesopfern dürfe es künftig nicht mehr geben, betonte Wölken. Betroffene weltweit müssten künftig auch in Europa ihreRechte durchsetzen können.
"Riesiger bürokratischer Aufwand"
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), und die Co-Vorsitzende Angelika Niebler (CSU) warnten dagegen vor einem "riesigen bürokratischen Aufwand" vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland – nach dem aktuellen deutschen Lieferkettengesetz wären viele von ihnen nicht oder nicht im gleichen Umfang von Sorgfaltsvorschriften betroffen.
Eine schärfere europäische Richtlinie trage nicht zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bei, so Caspary und Niebler. "Wir werden denWelthandel und die Situation der Menschen in ärmeren Regionen nicht verbessern, wenn sich europäische Unternehmen aus den betroffenen Regionen zurückziehen", erklärten die EVP-Politiker.
Ohne Ausbeutung
Die stellvertretende Sprecherin der Grünen-Europagruppe, Henrike Hahn, warf den Christdemokraten eine "Antipolitik" gegen ökologische und soziale Ziele sowie ein Paktieren mit Parteien von Rechtsaußen vor. Europäische Verbraucher wünschten "gute Produkte, die weder Mensch noch Umwelt ausbeuten". Die angenommene Parlamentsposition habe "die volle Unterstützung vieler fortschrittlicher Unternehmen, Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft" und orientiere sich an Leitprinzipien der Vereinten Nationen sowie Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Der handelspolitische Sprecher der Linksfraktion, Helmut Scholz, begrüßte die Entscheidung als "wichtigen Etappensieg" für gerechtereglobale Wirtschaftsbeziehungen. Auch wenn das EU-Parlament damit weit über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehe, müsse sich die Koalition in Berlin nun klar für eine wirksame europäische Lieferketten-Richtlinie einsetzen.
Endgültige Fassung steht aus
Für den angenommenen Text stimmten 366 Abgeordnete bei 225 Gegenstimmen und 38 Enthaltungen. Er stellt die Verhandlungsposition des Parlaments dar, das sich nun mit EU-Kommission und Rat auf eine endgültige Fassung einigen muss. Die Gespräche sollen nächste Woche beginnen.
Nach dem Willen des Parlaments sollen Unternehmen in der EU verpflichtet werden, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf dieMenschenrechte und die Umwelt – beispielsweise Kinderarbeit, Sklaverei, Umweltverschmutzung oder Verlust der biologischen Vielfalt– zu ermitteln und erforderlichenfalls zu verhindern, zu beenden oder abzumildern.
Sorgfaltspflicht für die gesamte Wertschöpfungskette
Die Sorgfaltspflicht soll die gesamte Wertschöpfungskette von Zulieferern bis zur Abfallbewirtschaftung umfassen und für Unternehmen aller Branchen gelten, einschließlich Finanzdienstleistungen. Firmen mit höchstens 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von maximal 40 Millionen Euro will das Parlament von den Regeln ausgenommen wissen; die EU-Kommission hatte die Grenzen weiter gesteckt. Bei Verstößen fordern die Abgeordneten eine Anprangerung der Unternehmen, die Rücknahme der betreffenden Waren oder Geldstrafen von mindestens 5 Prozent des Nettoumsatzes.