EU-Ratspräsident hält bei der ersten "Europa-Rede"

Einigkeit und Freiheit in Europa

Zum Auftakt einer neuen, alljährlich zum Tag des Mauerfalls stattfindenen "Europa-Rede" hat der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, für ein starkes, geeintes und für neue Mitglieder offenes Europa geworben. Dazu gehöre für ihn auch der Beitritt der Staaten des westlichen Balkans, betonte Van Rompuy am Dienstag in Berlin.

 (DR)

Zugleich stellte er sich hinter die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), als Lehre aus der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise einen ständigen Krisenmechanismus bis zum Jahr 2013 zu schaffen. Dann laufen die milliardenschweren Rettungsschirme für Griechenland und den Euro aus.



Merkel mahnte auf der Veranstaltung im Berliner Pergamon-Museum, die Beschlüsse des EU-Gipfels zur Schärfung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes rasch umzusetzen. "Wir brauchen auch einen gemeinsamen ständigen Mechanismus zur Krisenbekämpfung", sagte sie. Das dürfe sich nicht nur auf frühe Sanktionen für "stabilitätsgefährdende Politik" einzelner Mitgliedsländer beschränken. Gebraucht werde auch ein Mechanismus, um die Privaten an der Last der Krise zu beteiligen.



Merkel: "Schicksalsgemeinschaft"

Ausdrücklich würdigte die Kanzlerin die europäische Idee und nannte Europa erneut eine "Schicksalsgemeinschaft". Heute ermögliche die Europäische Union rund 500 Millionen Bürgern ein Leben in Frieden und Menschenwürde. Merkel unterstrich: "Europa ist unsere Chance, auch in der Welt von Morgen noch erfolgreich zu sein." Dazu müsse die europäische Idee bewahrt und weiterentwickelt werden. "Es ist der Auftrag an unsere Generation, dieses Glück zu schützen."



Van Rompuy nutzte die erste Berliner "Europa-Rede", um seine Vorstellung des künftigen Europas zu skizzieren. "Macht und Einfluss in der Welt sind mehr und mehr eine Frage der Wirtschaft und weniger der Waffen", hob er hervor. Gerade die jüngsten Konflikte in Afghanistan und im Irak hätten ganz deutlich die Grenzen von militärischen Interventionen gezeigt. Daraus müsse Europa seine Konsequenzen ziehen, seine strategischen Interessen definieren, Prioritäten setzen und sich auf einen gemeinsamen Weg zur Umsetzung verständigen.



Für einen starken Euro-Sitz im IWF

Der belgische Politiker hatte vor einem Jahr am 1. Dezember das höchste Amt in der Europäischen Union übernommen. Mit der im EU-Reformvertrag von Lissabon festgelegten Einrichtung eines ständigen Ratsvorsitzes hatte sich die Europäische Union von ihrer bisherigen Praxis einer halbjährlich rotierenden Präsidentschaft verabschiedet. Für Van Rompuy bildet der Lissabon-Vertrag eine gute Grundlage, Europas Platz in der Welt neu zu bestimmen. Dazu gehöre neben dem Eintreten für mehr Klimaschutz und der Weiterentwicklung der G20 auch, "einen starken Euro-Sitz im IWF" anzustreben, "einen Sitz so stark wie unsere gemeinsame Währung".



Nachdrücklich rief der EU-Ratspräsident dazu auf, gemeinsam gegen die weitverbreitete Europa-Skepsis anzugehen. In allen 27 EU-Mitgliedsstaaten gebe es Menschen, die glaubten, ihr Land könne in einer globalisierten Welt allein überleben. Das sei aber nicht nur eine Illusion, "das ist eine Lüge". Van Rompuy ergänzte, der größte Feind Europas sei heute die Angst. Aus Angst erwache Egoismus, aus Egoismus dann Nationalismus und daraus schließlich Krieg. Deshalb müsse das Credo Europas lauten: "Unser Europa steht für eine offene, nicht eine geschlossene Gesellschaft. Aber eine offene Gesellschaft mit Regeln und Werten, mit einem Projekt, mit einer positiven Identität."



Die "Europa-Rede" ist von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen mit der Stiftung Zukunft Berlin und der Robert Bosch Stiftung ins Leben gerufen worden. Alljährlich soll nun am oder um den 9. November herum ein EU-Spitzenpolitiker seine Vision des geeinten Kontinents darlegen. Im kommenden Jahr wird EU-Kommissionspräsident Barroso in Berlin erwartet.