DOMRADIO.DE: Wird die Zeitumstellung bald Geschichte sein?
Peter Liese (Europaabgeordneter der CDU): Ja, ich werde mich dafür einsetzen und bin auch sehr optimistisch, dass wir das hinkriegen. Wir werden in Kürze offiziell einen Kommissionsvorschlag bekommen. Und ich möchte, dass wir noch vor der Europawahl einen Beschluss fassen – gemeinsam mit den Vertretern der Mitgliedsstaaten – dass die Zeitumstellung dann endgültig abgeschafft wird.
DOMRADIO.DE: Warum sind Sie für die Abschaffung der Zeitumstellung?
Liese: Ich möchte, dass die Mitgliedsstaaten selber entscheiden, ob sie dauerhaft die Mitteleuropäische Normalzeit oder die mitteleuropäische Sommerzeit einführen. Denn das ist ein bisschen kompliziert. Das ist auch unterschiedlich, ob man in Spanien lebt – wo es ja heute schon eine Verschiebung im Vergleich zu Deutschland gibt. Trotzdem ist es die gleiche Zeitzone.
DOMRADIO.DE: Was wäre für Deutschland das Beste?
Liese: Da bin ich ein bisschen hin- und hergerissen. Persönlich denke ich, wie die meisten Menschen, die Sommerzeit ist schön. Abends ist es länger hell, aber Ende Juni kann man eh nichts damit anfangen, wenn es morgens um halb vier hell wird statt um halb fünf.
Aber Wissenschaftler sagen mir, dass es sehr wichtig ist, dass im Winter insbesondere Kinder ein bisschen Tageslicht abkriegen, bevor sie in die Schule gehen. Es ist ja sowieso so, dass Kinder erst ab neun Uhr in der Schule richtig aufmerksam sind. Wenn wir jetzt ganzjährig die Sommerzeit hätten, dann wären es fünf Monate, in denen ein durchschnittliches Schulkind vor der Schule kein Tageslicht abkriegt. Das müsste man mal genau durchdenken. Vielleicht gibt es andere Lösungen, etwa dass man die Schulen später anfangen lässt. Aber da muss man ein bisschen drüber nachdenken. Deswegen möchte ich da im Moment erst mal die Diskussion abwarten. Wichtig ist, dass wir die Zeitumstellung loswerden.
DOMRADIO.DE: Warum hat sich die Zeitumstellung so lange gehalten?
Liese: Vielleicht war es so, dass man am Anfang wirklich etwas Energie gespart hat, weil man abends weniger Beleuchtung hatte. Aber es wurde zum Teil kompensiert dadurch, dass man morgens mehr geheizt hat. In den letzten Jahren hat sich erstens herausgestellt, dass Beleuchtung immer energiesparender wird, etwa die LED-Beleuchtung, die fast keinen Strom mehr braucht.
Wir haben auch zusätzliche Erkenntnisse gewonnen. Diese medizinischen Erkenntnisse, dass die Zeitumstellung wahrscheinlich den Menschen schadet. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es in der Medizin nicht – ich bin selber Arzt und weiß, dass man das immer hinterfragen kann – aber es gibt Hinweise darauf, dass es dem Menschen schadet und in den letzten Jahren stärker geworden ist.
Dann war es allerdings so, dass muss ich zugeben, dass meine Kollegen im Europäischen Parlament sich auch nicht richtig getraut haben. Wir haben da eine überfraktionelle Arbeitsgruppe und die Kollegen haben immer gesagt: "Oh, wenn wir das jetzt hochziehen, dann verlieren wir vielleicht. Dann ist das Thema vom Tisch". Ich habe dann letztes Jahr gesagt, dass es Zeit wird, einen Antrag zu stellen, wenn wir es vor der Wahl schaffen wollten. Dann haben wir gemeinsam einen Antrag gestellt und dadurch ist diese Dynamik in Gang gekommen.
DOMRADIO.DE: Nicht nur Ihre Kollegen aus dem Europaparlament waren eher zögerlich bei dieser Abstimmung, sondern auch in Deutschland haben unglaublich viele mitgemacht. Warum liegt uns so viel an der Zeit in Deutschland?
Liese: Das muss man ein bisschen relativieren. In den anderen Ländern haben sich 1,6 Millionen Menschen an der Online-Konsultation beteiligt – ohne Deutschland! Das ist dreimal so viel wie sich jemals an einer Online-Konsultation der europäischen Kommission beteiligt haben. Bei dem Freihandelsabkommen TTIP oder bei Tierschutz-Fragen haben sich maximal eine halbe Million beteiligt und hier sind es 1,6 Millionen.
Also, auch für die anderen Länder war das der absolute Knaller. Und die haben sich sehr dafür interessiert. Warum es in Deutschland jetzt nochmal so viel mehr waren, das kann ich ehrlich gesagt nicht ganz beurteilen. Die Abgeordneten, mit denen ich zusammenarbeite, kommen aus vielen Ländern. Unser Vorsitzender ist ein Tscheche. Wir haben Finnen, Österreicher und Iren. Im Europaparlament ist es kein deutsches Thema.
Ich gehe einfach mal davon aus, dass es erstens in Deutschland einige organisierte Gruppen gibt, die ihre Mitglieder aufgerufen haben, abzustimmen und das dann auch verbreitet haben. In Deutschland haben die Medien – insbesondere in der letzten Woche der Abstimmung – sehr intensiv darauf aufmerksam gemacht und das war vielleicht in anderen Ländern nicht so. Aber es ist definitiv kein deutsches Thema. Es ist ein Thema in vielen Ländern. Und die Mehrheit in Deutschland war gegen die Zeitumstellung. Die lag mit 84 Prozent genauso hoch wie im europäischen Durchschnitt. In Polen und den baltischen Staaten waren es sogar mehr als 90 Prozent. Also, die anderen wollen das auch nicht.
DOMRADIO.DE: Ganz praktisch gefragt: Wann müssen wir unsere Uhr nicht mehr umstellen?
Liese: Wenn es nach mir geht, werden wir jetzt sehr schnell handeln. Die Kommission sollte in wenigen Wochen einen Vorschlag machen, der geht dann offiziell ins Parlament und in den Ministerrat. Das ist ein kleiner Text: Man braucht nur ein paar Sätze an der bestehenden Richtlinie ändern. Dann kann man im Frühjahr nächsten Jahres alles unter Dach und Fach haben.
Das hieße dann, dass wir in 2020 keine Umstellung mehr haben. Die Mitgliedstaaten können sich dann entscheiden, ob sie im März einfach die Winterzeit weiterlaufen lassen oder ob sie im Oktober die Sommerzeit weiterlaufen lassen. Aber dann wird 2020 Schluss sein mit der ständigen Umstellung.