Stark, souverän, sozial - für ein solches Europa wolle sich Deutschland einsetzen. Das schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) Mitte November in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zum 1. Juli übernimmt Berlin die EU-Ratspräsidentschaft. Die Erwartungen der anderen Länder sind hoch.
In diese Phase könnten der Abschluss des siebenjährigen EU-Haushalts und der Kurs bei den künftigen Beziehungen mit den Briten fallen.
Erstes Jahr von Kommissionspräsidentin von der Leyen
Zudem ist es das erste Jahr von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Ihr Kernthema ist der Wandel zu einer ökologischen Wirtschaft. Mitte Dezember schlug von der Leyen ihren sogenannten Green Deal vor. Im Januar sollen konkrete Vorschläge zu einem Fonds für einen gerechten Wandel folgen. Schließlich will sie ein Gesetz zur Klimaneutralität sowie eine Biodiversitätsstrategie vorschlagen.
Mit dieser Priorität trifft von der Leyen ein Thema, das auch der katholischen Kirche am Herzen liegt. "Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen", heißt es in der Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus.
Das grüne Ziel Europas teilen die Deutschen auch beim mehrjährigen Finanzrahmen der EU. "Den Haushalt der EU, der 2020 abschließend verhandelt wird, wollen wir konsequent auf Zukunftsfragen ausrichten: Auf Klimaschutz, auf die Stärkung gemeinsamen Außenhandels, auf die Steuerung von Migration, auf Forschung und Entwicklung", schreibt Maas.
Schlüsselrolle beim Thema Migration?
Auch beim Thema Migration könnten die Deutschen 2020 eine Schlüsselrolle spielen. Die EU-Kommission plant einen neuen Anlauf. Zu Jahresbeginn will sie einen neuen "Migrationspakt" vorlegen. Derzeit reisen EU-Vizekommissionpräsident Margaritis Schinas aus Griechenland und die schwedische Migrationskommissarin Ylva Johansson durch die Hauptstädte der Mitgliedstaaten, um die Lage zu erörtern.
Ein Papier aus dem Bundesinnenministerium zu einer möglichen EU-Asylreform könnte Basis für den Reformvorschlag werden. Im Zentrum steht die Prüfung des Asylanspruchs an den EU-Außengrenzen.
Europas Auftreten nach außen ist Deutschland ein besonderes Anliegen. "Außenpolitisch muss Europa geschlossener, strategischer handeln", so Maas. Große Aufgaben lägen vor der EU wie eine faire Handelspolitik sowie die Unterstützung östlicher und südlicher Nachbarn bei Reformen. Während der Ratspräsidentschaft ist sowohl ein EU-China-Gipfel in Leipzig Mitte September als auch ein EU-Afrika-Gipfel geplant.
"Das Wohl Afrikas liegt im Interesse Deutschlands und der EU", sagte der Afrikabeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, bei einem Brüsselbesuch im November. "Wenn es dort nicht gut geht, wird es uns auch in der EU nicht so gut gehen und so ruhig bleiben wie derzeit." Von der Leyen machte mit ihrem ersten Besuch außerhalb Europas bei der Afrikanischen Union in Äthiopien klar, dass der Kontinent höchste Priorität haben soll. Im Frühjahr will sie eine EU-Afrika-Strategie vorschlagen.
Europas Werte sollen Deutschlands Präsidentschaft prägen
Deutschland will in seiner Ratspräsidentschaft auch das Soziale auf Europas Agenda setzen. "Wir haben uns vorgenommen, den Wettlauf der Sozialstandards nach unten zu stoppen", schreibt Maas. Man wolle sich für einen gemeinsamen Rahmen bei der sozialen Grundsicherung und für Mindestlöhne einsetzen. Sozialleistungen sind bislang in der EU sehr unterschiedlich. Noch im Januar will von der Leyen ihren Fahrplan für das soziale Europa präsentieren. In der deutschen Ratspräsidentschaft könnte es dann bereits um konkrete Vorschläge gehen.
Europas Werte sollen Deutschlands Präsidentschaft prägen. Berlin will auch den Kampf gegen Antisemitismus fördern. Der Fokus soll etwa auf Begegnungen und der Vermittlung von jüdischem Leben liegen. "Es geht darum, dass wir der europäischen Öffentlichkeit zeigen, dass jüdisches Leben Teil unserer europäischen Identität ist. Wenn das angegriffen wird, wird auch die europäische Identität angegriffen", so der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein.
Zumindest nach den Absichtsbekundungen sind die Weichen für 2020 in Europa gestellt. Zugleich versuchen die Deutschen, die Erwartungen an ihre Präsidentschaft im Zaum zu halten. Denn alle Probleme können sie in sechs Monaten nicht lösen. Zuvor übernehmen die Kroaten am 1. Januar den Ratsvorsitz - erstmalig. Ihr Beitritt zum EU-Club liegt erst sechs Jahre zurück.